Mietrecht
Außerordentliche Kündigungsmöglichkeiten bei Tod des Mieters

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 31. Januar 2018 entschieden, dass eine drohende finanzielle Leis­tungs­un­fä­hig­keit beziehungsweise eine „gefährdet erscheinende“ finanzielle Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mieters eingetretenen (neuen) Mieters nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung nach § 563 Abs. 4 BGB in Betracht kommt.

Mietkündigung 3.2018Der Tod des Mieters beendet das Mietverhältnis nicht. §§ 563 ff. BGB lassen eine Sonderrechtsnac
hfolge für be­stimm­te Personen in das Mietverhältnis zu. Beim Mietvertrag treten stattdessen nach §§ 563 ff. BGB Angehörige (Ehe­gat­te, Kin­der, Lebenspartner oder sonstige Familienangehörige) beziehungsweise andere Personen, zum Beispiel Le­bens­ge­fährt­en, die mit dem verstorbenen Mieter einen auf Dauer angelegten Haushalt geführt haben, oder Erben, in alle Rech­te und Pflich­ten des Mietvertrages ein. Nach § 563 Abs. 4 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis innerhalb eines Monats, nachdem er von dem end­gül­ti­gen Ein­tritt in das Mietverhältnis Kenntnis erlangt hat, außerordentlich mit der gesetzlichen Frist kündigen, wenn in der Per­son des Eingetretenen ein wichtiger Grund vorliegt.

Sachverhalt
Der sich in einem Ausbildungsverhältnis befindliche Lebensgefährte einer verstorbenen Mieterin trat in das Miet­ver­hält­nis ein. Der Vermieter kündigte das Mietverhältnis gemäß § 563 Abs. 4 BGB unter Berufung auf einen in der Per­son des Aus­zu­bil­den­den liegenden wichtigen Grund. Zur Begründung führte er unter anderem aus, dass mit dem be­zo­ge­nen Aus­bil­dungs­ge­halt die monatlich zu entrichtende Miete nebst Nebenkostenvorauszahlung auf Dauer nicht zu leis­ten sei. Der Lebensgefährte der verstorbenen Mieterin widersprach der Kündigung und erklärte, er sei ohne weiteres in der Lage, die Miete und Nebenkostenvorauszahlungen entrichten zu können. Außerdem verlangte er die Zu­stim­mung des Vermieters zu einer Untervermietung eines Teils der Wohnung (§ 553 Abs. 1 BGB) an einen Ar­beits­kol­le­gen. Die geplante Untervermietung hätte zugleich den Vorteil, dass sich sein Arbeitskollege an der Miete und den Ne­ben­kos­ten so­wie an Fahrtkosten zur Arbeitsstelle beteiligen würde.

Die Vorinstanzen nahmen an, die finanzielle Leistungsfähigkeit des eintretenden Lebensgefährten sei nicht gesichert, weil er lediglich ein Ausbildungsgehalt beziehe, weder ein erfolgreicher Abschluss der Ausbildung noch eine ab­schlie­ßend­e Festanstellung absehbar seien und damit die Erbringung der Miete nicht dauerhaft gesichert sei. Der BGH ent­schied da­ge­gen, dass – entgegen einer verbreiteten Auffassung – eine drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit be­zie­hungs­weis­e eine „gefährdet erscheinende“ finanzielle Leistungsfähigkeit eines nach dem Tod des ursprünglichen Mie­ters ein­ge­tre­te­nen (neu­en) Mieters nur in besonderen Ausnahmefällen als wichtiger Grund für eine au­ßer­or­dent­li­che Kün­di­gung nach § 563 Abs. 4 BGB in Betracht kommt.

Der „wichtige Grund“ muss so beschaffen sein, dass er dem Vermieter die Fortsetzung des Mietverhältnisses un­zu­mut­bar macht, was bei einer objektiv feststehenden Unfähigkeit des (neuen) Mieters zur vollständigen oder pünkt­li­chen Leis­tung der Miete der Fall sein kann. Denn anders als bei der ursprünglichen Begründung des Miet­ver­hält­nis­ses über­lässt das Gesetz im Fall des § 563 BGB nicht dem Vermieter die Auswahl des (neuen) Mieters. Aus die­sem Grund kann es für einen Vermieter – abhängig von den jeweiligen vom Vermieter darzulegenden Um­ständ­en des Ein­zel­falls – un­zu­mut­bar sein, erst den Eintritt des Zahlungsverzugs mit den Kündigungsmöglichkeiten der § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, § 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB abwarten zu müssen, um dem eingetretenen Mieter hieraufhin kündigen zu können.

Eine zum Zeitpunkt des Zugangs der Kündigungserklärung lediglich drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit be­zie­hungs­wei­se „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit des Mieters kann nur in besonderen Ausnahmefällen ei­ne Un­zu­mut­bar­keit der Fortsetzung des Mietverhältnisses für den Vermieter begründen. Ob eine drohende wirt­schaft­li­che Leistungsunfähigkeit oder „gefährdet erscheinende finanzielle Leistungsfähigkeit“ vorliegt, ist – anders als bei fest­ste­hen­der wirt­schaftli­ch­er Leis­tungs­un­fä­hig­keit – aufgrund einer Prognose zu beurteilen, die naturgemäß mit Un­wäg­bar­kei­ten behaftet ist.

Bei Fehleinschätzungen läuft der in das Mietverhältnis eingetretene (neue) Mieter aber Gefahr, sein von der ver­fas­sungs­recht­li­chen Eigentumsgarantie geschütztes Besitzrecht selbst dann zu verlieren, wenn sich nachträglich he­raus­stel­len soll­te, dass die Bedenken gegen seine Leistungsfähigkeit unberechtigt gewesen sind. Deshalb muss die auf eine bloß drohende finanzielle Leistungsunfähigkeit oder „gefährdet erscheinende“ Leistungsfähigkeit des ein­ge­tre­te­nen Mie­ters ge­stütz­te Unzumutbarkeit stets auf konkreten Anhaltspunkten und objektiven Umständen beruhen, die nicht bloß die Erwartung rechtfertigen, sondern vielmehr den zuverlässigen Schluss zulassen, dass fällige Mietzahlungen als­bald ausbleiben werden. Solche Anhaltspunkte fehlen dann, wenn Geldquellen vorhanden sind, die die Erbringung der Mietzahlungen sicherstellen, wie dies etwa bei staatlichen Hilfen oder sonstigen Einkünften, so zum Beispiel bei Un­ter­miet­zah­lun­gen, Unterstützung Verwandter und Nebentätigkeitsvergütungen, oder vorhandenem Vermögen der Fall ist.

Nach Ansicht des BGH beruht die Annahme des Be­ru­fungs­ge­richts, die finanzielle Leistungsfähigkeit des ein­tre­ten­den Lebensgefährten sei nicht gesichert, auf rei­nen Mutmaßungen und nicht auf objektiven An­halts­punk­ten. Unter anderem die Möglichkeit der Un­ter­ver­mie­tung zog die Vorinstanz nicht in Betracht. Der BGH ist der Ansicht, dass die angeführten Gründe für das Un­ter­ver­mie­tungs­be­geh­ren (Überlassung an Arbeitskollegen, damit dieser sich an Miet- und Fahrtkosten beteiligt) als be­rech­tig­tes In­ter­es­se im Sinne von § 553 Abs. 1 BGB anzuerkennen sind (Urteil des BGH vom 31. Januar 2018, Az.: VIII ZR 105/17).

Bildquelle: Udo Koranzki
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