18. Bauforum in Boppard
„HinterLand - Perspektiven für Wohnen + Arbeiten“

Alljährlich richtet das Bauforum Rheinland-Pfalz, in dem unter anderem auch der VdW Rheinland Westfalen und der VdW südwest Gesellschafter sind, eine Jahresfachtagung mit innovativer Themensetzung aus. In diesem Jahr fokussierte sich das Bauforum auf die Landesräume jenseits der Schwarmstädte. Unter dem Motto „HinterLand – Perspektiven für Wohnen+Arbeiten“ hatte das Bauforum in diesem Jahr - jenseits der Schwarmstadt Mainz als üblichem Veranstaltungsort - nach Boppard eingeladen. Thematisch wurde ein breites Spektrum aufgemacht.

Eliza McGownd„Wohnen und Baukultur nicht nur in den Metropolen“, hierzu referierte eindrucksvoll Eliza McGownd von empirica ag, Berlin. Ausgehend von dem damals vom Bauforum angestoßenen „Gutachten zur quantitativen und qualitativen Wohnraumnachfrage in Rheinland-Pfalz bis zum Jahr 2030“ erläuterte McGownd, dass sich das früher großräumige Wanderungsverhalten mittlerweile in ein „Wanderungsverhalten in alle Richtungen“ verändert habe. In den im Jahr 2015 bundesweit definierten 30 Schwarmstädten, wovon drei auf Rheinland-Pfalz entfallen, schwächt sich der Bevölkerungsanstieg bereits ab. Die Chancen stehen gut, die Polyzentralität wieder zu beleben. Dafür sind Ortskerne und der Bestand baukulturell zu stärken. Dazu bedarf es einer aktiven Baulandpolitik der Kommunen. Und: gleichwertige Lebensverhältnisse können nur durch ungleiche Maßnahmen hergestellt werden, so McGownd. Ausgehend von einer thematisch spezifischen empirica-Studie haben der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW und die Bundesstiftung Baukultur bereits im Sommer letzten Jahres ein gemeinsames Positionspapier mit erforderlichen Weichenstellungen für verschiedene Fachpolitiken öffentlich vorgestellt. Das zugehörige Hintergrundpapier von empirica enthält die auch von McGownd vorgestellten „Handlungsansätze zur Stärkung der Ankerstädte und versteckten Perlen.“

Nach dem strategisch richtungsweisenden Vortrag von McGownd erläuterte Prof. Dr. Gabi Troeger-Weiß von der TU Kaiserslautern, ob und wie Mittelstädte Stabilisatoren für ländliche Regionen sein können, wobei deren Lage – ob stadt-regional oder ländlich-peripher – zu berücksichtigen ist. Strategien und Handlungsansätze zur Sicherung der Stabilisierungsfunktion wurden in einem speziellen Forschungsprojekt entwickelt. Troeger-Weiß stellte daraus für verschiedene Strukturbereiche konkret zu ergreifende Maßnahmen vor.

Roswitha SinzNoch viele Frage offen

Bevor Praktiker aus den Regionen zu Wort kamen, erläuterte Roswitha Sinz, stellvertretende Vorsitzende des Bauforums Rheinland-Pfalz, dem Publikum, warum das Bauforum nunmehr die Entwicklungsperspektiven der Gebiete außerhalb der Wachstumsregionen in den Fokus rückt. Der Frage nach gleichwertigen Lebensbedingungen, die sich gerade für das Flächenland Rheinland-Pfalz stellt, folgt unmittelbar die Frage, welche Konzepte es denn gibt, um Städte und Gemeinden, die außerhalb der Wachstumsregionen liegen, zu attraktiven Wohn-, Arbeits- und Kommunikationsorten mit Ankerfunktion zu entwickeln. Nach dem im Jahr 2015 vorgelegten empirica-Gutachten mit der Sichtbarmachung der Schwarmstädte konzentrierte man sich auf deren Herausforderungen. Eine Fülle geeigneter Maßnahmenvorschläge liegt vor; sie müssen „nur“ umgesetzt werden. So befand das Bauforum, dass es Zeit ist, den Blick auf das Leben jenseits der umschwärmten Städte in Rheinland-Pfalz und deren Herausforderungen zu lenken. Ein vom Bauforum zum Jahresbeginn 2018 organisiertes Expertenhearing mit Vertretern der verschiedenen Fachministerien des Landes zeigte auf, dass es zwar vielfältige fachbezogene Strategien und Förderlandschaften gibt, die hinsichtlich des Postulats „Gleichwertigkeit der Lebensbedingungen“ jedoch (noch) nicht alle an einem Strang zu ziehen scheinen. Für das Bauforum sind daher noch viele Fragen offen, zu deren möglichen Beantwortung auch diese Fachtagung beitragen sollte.

Mutmachende Handlungsansätze zeigten anschließend Dr. Hans-Günther Clev, Geschäftsführer ZukunftsRegion Westpfalz e.V., Matthias Kuhl, Geschäftsführer Premosys GmbH, als Hidden Champion im ländlichen Raum und Richard Haxel, Geschäftsführer BITO Campus Meisenheim, ein Gründerzentrum für technologieoroientierte Existenzgründer, auf. In der Reihe der guten Praxisbeispiele folgten die erfolgversprechenden und integrierten Handlungsansätze für ein aktives Stadtzentrum Wittlich sowie eine lebhafte Schilderung „Wie die junge Generation den ländlichen Raum erobert“ von Tobias Bals, Coworking Space Woidhub in Viechtach.

Daseinsvorsorge – ein anmaßendes Wort

Dazwischen rüttelte der Vortrag zu „Daseinsvorsorge und räumliche Gerechtigkeit“ von Prof. Dr. Dr. h. c. Wolfgang Huber, ehem. Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland, gründlich durch. Historisch beleuchtete Huber die Herkunft der staatlichen Aufgabe Daseinsvorsorge: „Das Handeln der öffentlichen Verwaltung als „Daseinsvorsorge“ zu beschreiben, ist eine deutsche Erfindung.“ Er plädierte dafür - auch im Abgleich mit anderen Ländern – doch bescheidenere Worte für den Beitrag des Staates zu Bedingungen zur (eigen-)verantwortlichen Lebensgestaltung zu finden. Im Weiteren zeigte Huber auf, wiederum wissenschaftlich, wie durch praktische Anschauung belegt, die Wechselwirkung zwischen sozialer und räumlicher Ungerechtigkeit und ermutigte dazu, „die etwas andere Verbindung zwischen sozialer Gerechtigkeit und räumlicher Gerechtigkeit, (…) zum Leitgedanken raumplanerischer Überlegungen zu machen.“ Er warb dafür, Polarisierungstendenzen in allen Bereichen frühzeitig entgegenzuwirken und dazu wie generell mehr in Möglichkeiten, denn in Problemen zu denken.

Bauforum in BoppardFinanz- und Bauministerin Doris Ahnen verfolgte gespannt diesen Vortrag wie die vielen Teilnehmer der Fachtagung. Sie richtete zuvor ein Grußwort an die Gäste und dankte unter anderem dem Bauforum für das Aufgreifen des Themas. Auch die Programme des Bauens und Wohnens haben angesichts der sehr heterogenen Märkte und Räume noch differenziertere Antworten zu geben.

Das Bauforum Rheinland-Pfalz befand diese Fachtagung als einen weiteren hilfreichen Informationsaustausch über das „HinterLand“ und wird sich im Gesellschafterkreis über weitere Schritte zur thematischen Auseinandersetzung verständigen.

Die Vorträge des 18. Bauforums stehen auf der Website des Bauforums Rheinland-Pfalz in der Rubrik Veranstaltungen zum Download bereit.


Foto oben: Eliza McGownd, empirica ag, Berlin.
Foto Mitte: Roswitha Sinz, stellvertretende Vorsitzende des Bauforums Rheinland-Pfalz.
Foto unten: Aufmerksames Publikum mit Prof. Dr. Dr. h.c. Wolfgang Huber und Staatsministerin Doris Ahnen.

© Kristina Schäfer

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