JustitiaBundesfinanzhof entscheidet zugunsten der Steuerpflichtigen
Berechnung „fiktiver“ Erstattungszinsen im Billigkeitsverfahren


Nachzahlungszinsen sind aus sachlichen Billigkeitsgründen zu erlassen, soweit der Steuerpflichtige bereits vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung freiwillige Leistungen auf eine sich aus der Steuerfestsetzung ergebende Steuernachzahlung erbracht und das Finanzamt diese Leistungen angenommen und behalten hat.
Nach Abschnitt 70.1.2 AEAO zu § 233a sind Zinsen nur für den Zeitraum bis zum Eingang der freiwilligen Leistung zu erheben. Wurde die freiwillige Leistung erst nach Beginn des Zinslaufs erbracht oder war sie geringer als der zu verzinsende Unterschiedsbetrag, sind Nachzahlungszinsen aus Vereinfachungsgründen insoweit zu erlassen, wie die auf volle 50 Euro abgerundete freiwillige Leistung für jeweils volle Monate vor Wirksamkeit der Steuerfestsetzung erbracht worden ist.

Beispiel: Für die Körperschaftsteuer 2013 der A-GmbH wurden Nachzahlungszinsen vom 1. April 2015 bis 29. Oktober 2017 (Bekanntgabe, Wirksamkeit der Steuerfestsetzung) festgesetzt. Am 30. April 2016 leistete die A-GmbH eine freiwillige Zahlung.

Im Beispiel wurde die freiwillige Leistung am 30. April 2016 erbracht, und die Steuerfestsetzung wurde am 29. Oktober 2017 wirksam. Die Finanzverwaltung vertritt die Auffassung, dass bei der Berechnung der fiktiven zu erlassenden Erstattungszinsen der Tag des Eingangs der (vorzeitigen freiwilligen) Zahlung nicht einzubeziehen ist.

Dies begründet die Finanzverwaltung mit § 108 Abs. 1 AO i. V. m. § 187 Abs. 1 BGB. Danach ist, wenn für den Anfang einer Frist ein Ereignis maßgebend ist, der Tag, in den das Ereignis fällt, nicht mitzurechnen. Dies würde hier bedeuten, dass für den Zeitraum vom 1. Mai 2016 bis zum 29. Oktober 2017 fiktive Erstattungszinsen zu berechnen sind, sodass ein Erlass von 17 vollen Monaten (vom 1. Mai 2016 bis 30. September 2017) zu gewähren ist.

Der BFH hat aber entgegen der Verwaltungsauffassung entschieden (Urteil vom 31. Mai 2017, I R 92/15), dass § 238 Abs. 1 Satz 2 AO hinsichtlich des Beginns des Zinslaufs bestimmt, dass Zinsen von dem Tag an, an dem der Zinslauf beginnt, zu zahlen sind. Die Formulierung „von dem Tag an“ sei zweifelsfrei in dem Sinne zu verstehen, dass der erste Tag des Zinslaufs von Anfang an, also ab 00.00 Uhr, bei der Berechnung des Zinslaufs und der Ermittlung der vollen Monate mitzuzählen ist. Mangels entgegenstehender Bestimmung gelte diese Regelung auch für die Ermittlung des Zinslaufs bei fiktiven Erstattungszinsen.

Die Verzinsung beginnt hier frühestens mit dem Tag der Zahlung (§ 233a Abs. 3 AO). Der Zahlungstag ist demnach von Anfang an („von dem Tag an“), also ab Tagesbeginn 00.00 Uhr, bei der Berechnung der Dauer des Zinslaufs und der Ermittlung der vollen Monate einzubeziehen.

Somit wird der 30. April 2016 bei der Berechnung der Frist mitgerechnet. Das Fristende ist dann mit dem Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats erreicht, welcher dem Tag vorhergeht, der durch seine Zahl dem Anfangstage der Frist entspricht. Daher sind hier fiktive Erstattungszinsen vom 30. April 2016 bis 29. Oktober 2017 zu berechnen, sodass ein Erlass von 18 vollen Monaten zu gewähren ist.

Foto: © Udo Koranzki

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