KlingelschilderDatenschutz-Grundverordnung
Klingelschild kein Datenschutzverstoß

Im Oktober 2018 hatte der sogenannte „Klingelschild-Fall“ in der Presse für Aufsehen gesorgt, nachdem sich ein Mieter eines Wiener Wohnungsunternehmens gegen die Anbringung seines Namens auf der Gegensprechanlage seiner Wohnung beschwert und auf die entsprechende Einhaltung der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) verwiesen hatte. Das kommunale Wohnungsunternehmen hatte daraufhin sämtliche Namen durch Topnummern im Wohnungsbestand ausgetauscht. Der Austausch erfolgte, nachdem sich das Unternehmen bei der für Datenschutzangelegenheiten der Stadt zuständigen Magistratsabteilung erkundigt hatte.

Zur weiteren Verunsicherung sorgte wiederum, dass der Präsident von Haus & Grund, Dr. Kai Warnecke, im Anschluss daran die Empfehlung an seine Mitglieder aussprach, alle Namensschilder vorsorglich zu entfernen. Zum Aufatmen trugt dann letztlich ein Schreiben des GdW Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen vom 18. Oktober 2018 bei, in dem sich der Verband auch in Bezug auf die Äußerungen weiterer Landesdatenschutzbeauftragter klar positionierte.

In dem Schreiben heißt es: „Es bestehen Zweifel, ob die DSGVO überhaupt auf Namensschilder an der Haustür Anwendung findet. Gemäß Art. 2 Abs. 1 gilt die DSGVO für die ganz oder teilweise automatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten sowie für die nichtautomatisierte Verarbeitung personenbezogener Daten, die in einem Dateisystem gespeichert sind oder gespeichert werden sollen. Das bloße Anbringen eines Namensschildes dürfte nach erster Einschätzung keine Speicherung in einem Dateisystem darstellen. Sofern gleichwohl die Anwendbarkeit der DSGVO bejaht wird, dürfte weiter die Anbringung eines Namensschildes ,zur Wahrung der berechtigten Interessen des Verantwortlichen oder eines Dritten erforderlich‘ sein. Neben dem Argument, dass die Anbringung eines Namensschildes sozial adäquat ist, erfolgt die Anbringung auch zur Identifizierung des Mieters für die Postzustellung oder ähnlichem.“

Diese Einschätzung wurde auch vom Bayerischen Landesamt für Datenschutzaufsicht getragen. „Wir sehen keine Notwendigkeit, Klingelschilder zu anonymisieren", erklärte der Präsident des Bayerisches Landesamtes für Datenschutzaufsicht, Thomas Kranig, in einem Bericht der Augsburger Allgemeinen vom 17. Oktober 2018. Gebe es keinen Namen an den Klingelschildern, erschwere das zum Beispiel schon die gesamte Postzustellung. Auch der Sprecher der niedersächsischen Landesbeauftragten für Datenschutz meint, dass ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Anbringung eines Namensschildes gegeben sei (vgl. Göttinger Tageblatt vom 17. Oktober 2018).

Kurz darauf erklärte das unabhängige Landeszentrum für Datenschutz Schleswig-Holstein (ULD), dass die DSGVO nichts an der bisherigen Praxis geändert habe. Weiterhin seien Namen am Klingelschild erlaubt, und weiterhin könne es in berechtigten Einzelfällen Ausnahmen geben, so das ULD in einer Presserklärung vom 19. Oktober 2018, der sich der Landesbeauftragte für Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern in einer Stellungnahme in der Ostseezeitung vom 18. Oktober 2018 inhaltlich anschloss: „Eine Einwilligung der Mieter ist nicht erforderlich. Vermieter, die eine Beschilderung an der Wohnungsanlage gestalten und für ihre Mieter Klingelschilder anfertigen wollen, können sich auf ein berechtigtes Interesse berufen: Dass die Namen der Mieter dort genannt werden, liegt nicht nur im Interesse der Mieter, die besucht werden oder Postzustellungen oder Lieferungen erhalten wollen, sondern dient auch dem Einsatz von Rettungskräften oder der Polizei. Es entspricht auch den vernünftigen Erwartungen der Mieter. Wichtig ist aber, dass die Vermieter schutzwürdige Interessen der Mieter berücksichtigen müssen, die im Einzelfall bestehen. Das ist ganz deutlich im Fall eines Stalking-Opfers: Wer gerade seine Wohnung wechseln musste, weil er oder sie vorher einem Stalking ausgesetzt war, muss vielleicht um Leib und Leben fürchten – hier sollte man nicht den vollständigen Namen angeben. Natürlich gilt dies auch für Zeugenschutzprogramme. Es ist auf jeden Fall sinnvoll, dass der Vermieter vorab die Mieter über die Planungen für ein bereitgestelltes Klingelschild informiert:
  • damit die korrekte Schreibweise des Namens kontrolliert wird oder bevorstehende Namensänderungen, zum Beispiel nach einer Heirat oder Scheidung, sofort umgesetzt werden,
  • damit bei mehreren Mitbewohnern entschieden werden kann, welche Namen aufgeführt werden,
  • damit bei Namensdopplungen abgekürzte oder vollständige Vornamen ergänzt werden können.“

Die DSGVO gibt keinen Anlass, Namen auf Klingelschildern zu entfernen oder Einwilligungen von Mietern einzuholen. So schätzt auch der Datenschutzbeauftragte in Mecklenburg Vorpommern die Rechtslage ein: „Blödsinn, völliger Quatsch“, schimpft Gabriel Schulz, Stellvertreter des Landesbeauftragten für Datenschutz Mecklenburg-Vorpommern. Das Regelwerk greife nur „bei der automatisierten Verarbeitung von personenbezogenen Daten“, so der Datenschützer. Im Gegenteil: „Der Vermieter hat den Auftrag zu zeigen, wer wo wohnt.“ (Ostsee-Zeitung vom 18. Oktober 2018).
Auch der rheinland-pfälzische Datenschützer Dieter Kugelmann gibt hinsichtlich dieser Thematik gegenüber dem SWR Entwarnung. Der hessische Beauftragte für Landesdatenschutz hat sich bisher zu dieser Thematik noch nicht geäußert, wird aber aller Voraussicht nach in eine ähnliche Richtung tendieren.

Sofern jedoch der einzelne Mieter sich gegen das Namensschild mit einem Widerspruch wenden, ist in diesen Fällen das Namensschild zu entfernen, vgl. Art. 21 DSGVO.

Foto: © Udo Koranzki

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