Mietrecht
Berücksichtigung von Balkonflächen bei Ermittlung der Wohnungsgröße

DachloggiaDas Landgericht Berlin (LG Berlin) hat in seinem Urteil vom 17. Januar 2018 entscheiden, dass entgegen einer weit verbreiteten Praxis in Berlin, die Flächen von Balkonen, Terrassen und Wintergärten nur zu einem Viertel und nicht grundsätzlich zur Hälfte zu berücksichtigen sind, um die Wohnfläche zu berechnen.

Sachverhalt

Ausgangspunkt für den Rechtsstreit war ein Mieterhöhungsverlangen eines Vermieters gegenüber einem Mieter für eine in Berlin-Wedding liegende Wohnung. Für diese war im Mietvertrag zunächst eine Wohnfläche von 94,48 Quadratmeter angegeben, welche jedoch durchgestrichen worden war, da der Mieter Einwände gegen die Größe hatte. Der Vermieter hatte ursprünglich eine Mieterhöhung von 440,79 Euro um 84,60 Euro auf 525,39 Euro verlangt. Ein Sachverständigengutachten vor dem erstinstanzlichen Gericht (Amtsgericht Berlin) hatte eine Wohnfläche von 84,01 Quadratmeter ermittelt und dabei für den hofseitigen Balkon die Hälfte und für die Fläche des straßenseitigen Balkons ein Viertel angesetzt. Das Amtsgericht Berlin hatte daraufhin auch die Fläche des straßenseitigen Balkons zur Hälfte berücksichtigt mit der Begründung, dass dies der örtlichen Übung in Berlin entspräche. Der Mieter legte Berufung gegen dieses Urteil ein und hielt hingegen eine Erhöhung auf 444,36 Euro für berechtigt, da der straßenseitige Balkon schlauchförmig und praktisch gar nicht nutzbar und deshalb nur zu einem Viertel bei der Quadratmetergröße der Wohnung zu berücksichtigen sei.

Entscheidung

Das LG Berlin hat den Mieter verurteilt, einer Erhöhung lediglich auf 451,36 Euro zuzustimmen. Nach Auffassung des LG Berlin war maßgeblich in diesem Rechtsstreit die Wohnungsgröße, um den zulässigen Erhöhungsbetrag zu ermitteln. Dafür seien mehrere Sachverständigengutachten eingeholt worden. Aufgrund der Beweisaufnahme kamen beide Gutachten zu dem Ergebnis, dass die Wohnfläche lediglich 84,01 Quadratmeter betrage und anhand dieser Größe die zulässige Erhöhung zu berechnen sei.

Entgegen einer weit verbreiteten Praxis in Berlin, Balkone und Terrassen zur Hälfte zu berücksichtigen, seien der hofseitige Balkon zur Hälfte und der straßenseitige Balkon zu einem Viertel anzusetzen, da keine Anhaltspunkte für eine abweichende Berechnung vorlägen.

Grundsätzlich sei bei nicht preisgebundenem Wohnraum die Größe einer Wohnung nach der örtlichen Verkehrssitte zu ermitteln. Dabei kämen neben der für preisgebundenen Wohnraum seit dem 1. Januar 2004 anwendbaren Wohnflächenverordnung (WoFlVO) auch alternative Regelwerke wie die II. Berechnungsverordnung, die DIN 283 oder die DIN 277 in Betracht.

Aufgrund der durchgeführten Datenerhebung des Sachverständigen sei festzustellen, dass in zurückliegenden Zeiten die Mehrheit der Befragten die Wohnflächenverordnung anwenden würde, um die Wohnungsgröße zu ermitteln. In dieser Verordnung sei jedoch ausdrücklich festgelegt, dass die Flächen von Terrassen, Balkonen und Wintergärten in der Regel nur zu einem Viertel angerechnet werden könnten. Die Umfrage habe allerdings auch ergeben, dass viele der befragten Privatvermieter insoweit die Wohnflächenverordnung rechtsfehlerhaft anwenden und grundsätzlich die Hälfte bei Balkonflächen berücksichtigen würden, während die Mehrheit der Großvermieter, auch aufgrund der damit einhergehenden Professionalisierung, die Wohnflächenverordnung korrekt anwenden würden.

Das LG Berlin folgt der Auffassung des Sachverständigen, dass kein klares Bild einer örtlichen Verkehrssitte in Berlin festzustellen sei. Im Gegenteil sehe die Mehrheit ein Regelwerk als verbindlich an, das bei zutreffender Anwendung eine anderweitige Flächenberechnung vorschreibe.

Da in dem zu entscheidenden Fall die Wohnungsgröße tatsächlich 11,08 Prozent weniger betrug als ursprünglich dem Mietvertrag zu Grunde gelegt wurde, hielt das LG Berlin auch einen Minderungsbetrag der ursprünglichen Miete von 11,08 Prozent für gerechtfertigt (Urteil des LG Berlin vom 17. Januar 2018, Az.: 18 S 308/13 ZR – das Urteil ist nicht rechtskräftig, da das Landgericht die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) zugelassen hat. Die Revision ist bereits eingelegt und wird beim BGH unter dem Az. VIII ZR 33/18 geführt.).

Anmerkung

Das Urteil greift eine praktisch relevante Fragestellung auf, wie die korrekte Wohnfläche (i. v. F. bei Balkonen) insgesamt zu berechnen ist. Zunächst kommt das LG Berlin zutreffend zu dem Ergebnis, dass bei nicht preisgebundenem Wohnraum, die Größe einer Wohnung nach der örtlichen Verkehrssitte zu ermitteln sei und dabei auch alternative Regelungen neben der WoFlVO herangezogen werden könnten. Damit orientiert sich das LG Berlin an der bisherigen Rechtsprechung des BGH (Urteil des BGH vom 23.Mai 2017, Az.: VIII ZR 231/06).

Anschließend führt das LG Berlin aus, dass die in Berlin häufig vorkommende Praxis, den Balkon grundsätzlich mit der Hälfte und nicht mit einem Viertel anzusetzen, gerade keine örtliche Verkehrssitte sei und vielmehr die jeweiligen Vermieter die WoFlVO und hierbei insbesondere § 4 Nr. 4 WoFlVO falsch anwenden würden. Damit gibt es seine bisherige Rechtsprechung aus dem Jahr 2011 zur Berechnung der Wohnfläche auf und schlägt hingegen einen neuen „mieterfreundlichen Kurs“ ein (Urteil LG Berlin vom 19. Juli 2011, Az. 65 S 130/10).

Dies ist aus Vermietersicht betrachtet ein Rückschritt, ausgehend vom Regelungszweck des § 4 Nr. 4 WoFlVO jedoch nachvollziehbar, da dieser explizit davon spricht, dass Balkone, Loggien, Dachgärten und Terrassen „in der Regel zu einem Viertel, höchstens jedoch zur Hälfte“ anzurechnen sind. Dennoch bleibt es abzuwarten, wie der BGH in dieser Fragestellung abschließend entscheiden wird.

Foto: © Udo Koranzki

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