Genossenschaftsrecht
Zum Einsichtsrecht eines Mitglieds nach Ausscheiden aus Genossenschaft


Fassade © Hans Braxmeier auf PixabayDas Oberlandesgericht (OLG) Schleswig hat sich im Urteil vom 5. September 2018 mit den Einsichtsrechten eines ausgeschiedenen Genossenschaftsmitglieds befasst. Die einzig mögliche Anspruchsgrundlage § 810 BGB erfordert ein rechtliches Interesse, dass bei Jahresabschluss und Prüfungsbericht i. d. R. nicht vorliegt.

OLG Schleswig, Urteil vom 5. September 2018, Az.: 9 U 43/18

Sachverhalt

Ein zum 31. Dezember 2016 ausgeschiedenes Mitglied einer Genossenschaft begehrt zur Überprüfung seines Auseinandersetzungsguthabens von der Genossenschaft Abschriften des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr 2016 nebst Gewinn- und Verlustrechnung und zugehörigem Prüfungsbericht des Genossenschaftsverbandes sowie Abschrift des Protokolls der ordentlichen Generalversammlung, hilfsweise Einsicht in die genannten Unterlagen.

Das Landgericht gab dem Hilfsantrag statt, darüber hinaus wies es die Klage ab. Die Genossenschaft verfolgte mit ihrer Berufung die vollständige Klageabweisung. Nach Aushändigung einer teils geschwärzten Abschrift des Protokolls der Generalversammlung in der mündlichen Verhandlung vor dem OLG erklärten die Parteien den Rechtsstreit bezüglich der Einsicht ins Protokoll für erledigt.

Entscheidung

Die Berufung hatte Erfolg. Nach Ansicht des OLG habe das ausgeschiedene Genossenschaftsmitglied keinen Anspruch auf Einsicht in den Jahresabschluss. Einzig denkbare Anspruchsgrundlage für ein Einsichtsrecht in den Jahresabschluss sei § 810 BGB. Danach besteht ein Recht auf Einsicht in die Originalurkunde unter anderem dann, wenn die Urkunde zumindest auch im Interesse des Anspruchstellers errichtet wurde und an der Einsicht ein rechtliches Interesse besteht. Ein Interesse an der Einsicht besteht, wenn diese zur Förderung, Erhaltung oder Verteidigung einer rechtlichen Position benötigt wird. Das sei jedoch nicht der Fall, da die veröffentlichungspflichtige Genossenschaft den Jahresabschluss mit Bilanz, Lagebericht und Bericht des Aufsichtsrats, Gewinn- und Verlustrechnung und Anhang veröffentlich habe. Die begehrten Informationen können daher aus den allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden.

Es bestehe auch kein Anspruch auf Einsicht in den Prüfungsbericht nach § 810 BGB. Die Urkunde wurde weder im Interesse der Mitglieder errichtet, noch sei ein rechtliches Interesse an der Einsicht ersichtlich. Gemäß § 59 Abs. 1 S. 2 GenG haben die Mitglieder einer Genossenschaft lediglich Anspruch auf Einsicht in das zusammengefasste Ergebnis des Prüfungsberichts, nicht in den gesamten Prüfungsbericht.

Da der Anspruch auf Einsicht in das Protokoll der Generalversammlung bereits für erledigt erklärt wurde, war noch über die Kosten zu entscheiden. Hierzu teilte das OLG mit, dass aus § 810 BGB nur das Recht zur Einsicht in die Generalia der Generalversammlung sowie die Beschlüsse über die Feststellung des Jahresabschlusses bestehe. Dafür liege ein rechtliches Interesse vor, da die Feststellungsbeschlüsse Grundlage für die Berechnung des Auseinandersetzungsguthabens seien und die wirksame Beschlussfassung dafür Voraussetzung sei. Für die Prüfung, ob eine wirksame Beschlussfassung vorliege, sei Einsicht in das Protokoll erforderlich.

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RAin Helena Kaup


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