Energiebilanz verbessern und Ursprüngliches bewahren
Interview mit der Vereinigte Wohnstätten 1889 eG zum Sanieren im Denkmalschutz


Marquardt und Flotho
Uwe Flotho und Britta Marquardt, Vorstände der Vereinigten Wohnstätten 1889 eg | ©Vereinigte Wohnstätten 1889 eG
VdWaktuell: Frau Marquardt, Herr Flotho, Sie verantworten die Geschicke Hessens größter Wohnungsbaugenossenschaft. Was sind die derzeitigen Herausforderungen Ihrer Genossenschaft?

Die Mieten sozialverträglich zu halten und gleichzeitig die immer weiter steigenden rechtlichen Anforderungen und (Bau-)preise gegenfinanzieren zu können, sind wahrscheinlich unsere größten Herausforderungen. Diese Anforderungen stehen aber neben allen anderen Herausforderungen, denen wir uns als Genossenschaft stellen, wie dem Erreichen von Klimaschutzzielen, der ständigen Verbesserung unserer Wohnungen und des Wohnumfeldes, der hohen Qualität der Quartiersarbeit und dem Ausbau von Mehrwerten für unsere Mitglieder.

VdWaktuell: Einige Ihrer Bestände stehen unter Denkmalschutz. Denkmalschutz will die Ursprünglichkeit erhalten. Veränderung zugunsten energiewirtschaftlicher Belange bedeuten Einbußen am Erhalt des Originals. Schließen sich Denkmalschutz und energetische Sanierungen aus? Und wenn nicht, auf welche Besonderheiten muss bei der energetischen Sanierung im Denkmalschutz geachtet werden?

Nein, Denkmalschutz und Klimaschutz schließen sich nicht aus. Die Umsetzung von energetischen Sanierungen beinhaltet jedoch häufig andere Maßnahmen als z.B. eine Fassadendämmung. Denkmalschutz und Klimaschutz zusammen bedeuten jedoch deutlich höhere Kosten. Die steuerlichen Vorteile des Denkmalschutzes können wir nicht nutzen. Das bedeutet, dass die Finanzierungslücke anderweitig geschlossen werden muss. Hier fordern wir eine stärkere finanzielle Beteiligung der öffentlichen Hand.

VdWaktuell: Welche Maßnahmen der energetischen Sanierung haben Sie zuletzt bei Ihren denkmalgeschützten Wohnhäusern in Kassel umgesetzt. Wo lagen die Schwierigkeiten und wie haben Sie diese gelöst?

Wir bauen derzeit neue Fenster in einen denkmalgeschützten Wohnblock aus den 1920er Jahren ein. Dafür musste ein Lüftungskonzept erstellt werden. Da eine Fassadendämmung aus denkmalschutzrechtlichen Gründen nicht möglich war, haben wir kontrollierte Wohnungslüftungen mit Wärmerückgewinnung eingebaut. Dafür mussten wir in jeder Wohnung Eingriffe vornehmen. Der Beratungs- und Informationsbedarf für eine solche Maßnahme ist hoch und der Erfolg hängt im Wesentlichen auch von einer sehr guten Begleitung durch die Genossenschaft ab.

VdWaktuell: Was sind Ihre Erfahrungen bei der Zusammenarbeit mit der unteren Denkmalschutzbehörde bei Sanierungsprojekten?

Kassel wurde im 2. Weltkrieg stark zerstört, die damals noch intakten Gebäude haben eine große Bedeutung. Wir einigen uns nicht immer sofort, erzielen aber immer gute Kompromisse. Es bleibt das Problem, dass Sanierung im Denkmal teuer ist. Und es bleibt die – für alle sichtbare – Qualität, die unsere denkmalgeschützten Gebäude haben, auf die wir stolz sind und die wir gern erhalten.

Sanieren im Bestand
©Karten Socher
VdWaktuell: Was müsste passieren, damit das energetische Sanieren im Denkmalschutz leichter wird?

Das ist pauschal nicht zu beantworten, da sind die Schwierigkeiten so individuell wie die Gebäude. Jede Form von finanzieller Unterstützung wäre aber auf jeden Fall wichtig und hilfreich. Hier bedarf es in Zukunft großer Anstrengungen!

VdWaktuell: Um die Klimaschutzziele zu erreichen, brauchen wir einen klimaneutralen Gebäudebestand. Ihre Miete liegt derzeit bei 4,83 Euro/Quadratmeter. Die Kosten von Sanierungsmaßnahmen können aber nicht 1:1 auf die Miete umgelegt werden, wenn diese bezahlbar bleiben soll. Was muss Ihrer Meinung nach passieren, um diesen Zielkonflikt zu überwinden?

Auch wenn unsere Ausgangsmieten gering sind, können und wollen wir unsere Mieter nicht mit ständig steigenden Mietkosten belasten. Der Wohnungsmarkt in Kassel hat sich zwar in den letzten Jahren tendenziell positiv entwickelt, die Mieten hier sind jedoch deutlich niedriger als in den Ballungsregionen Deutschlands.
Und wie schon gesagt, es gilt: Jegliche Form der finanziellen Unterstützung ist wichtig und hilft. Die immer strenger werdenden gesetzlichen Auflagen führen dagegen eher dazu, dass man manche Maßnahmen herauszögert.
Und: dieses Problem betrifft nicht allein unsere denkmalgeschützten Gebäude. Der Zielkonflikt mit ständig steigenden Anforderungen und steigenden Kosten auf der einen Seite und bezahlbarem Wohnraum auf der anderen Seite wird sich aus unserer Sicht in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Ein restriktives Mietrecht wird hier langfristig nicht weiterhelfen. Wir brauchen ein zielgerechtes Fördersystem!