IW.2050
Mitglieder der Initiative im Gespräch


Die Initiative Wohnen.2050 (IW.2050) ist ein klimapolitisches Bündnis, in dem sich Wohnungsunternehmen fachlich austauschen und strategisch kooperieren. Gemeinsam treten sie dafür ein, dass die Voraussetzungen zur Erreichung der Klimaziele geschaffen werden. Der VdW südwest sowie einige seiner Mitgliedsunternehmen sind Teil der IW.2050. Mit zwei von ihnen haben wir über Klimaschutz und die Ziele der Wohnungswirtschaft gesprochen.

Ulrich Tokarski, Vorstand Volks- Bau- und Sparverein Frankfurt am Main eG

TokarskiDie Wohnungsunternehmen des VdW südwest investierten 2019 rund 1,5 Milliarden Euro in den Neubau und die Modernisierung ihrer Bestände. Wie investiert Ihre Genossenschaft in den Klimaschutz?

Die VBS eG hat zur Verfolgung ihrer Klimaschutzziele in den letzten zehn Jahren durchschnittlich über 11 Millionen Euro in Neubau und Modernisierung investiert. Die Wirtschaftspläne der nächsten Jahre sehen Investitionen in mindestens gleicher Größenordnung vor.
Der Schwerpunkt liegt hierbei auf der energetischen Sanierung der Bestände. Wo es sinnvoll und möglich ist, werden diese um Anbauten oder Aufstockungen auf Neubaustandard erweitert.
Energetische Sanierungen setzen sich bei der VBS eG aus einem Bündel an Einzelmaßnahmen zusammen. Im Bereich der Haustechnik kommen zentrale Brennwertheizungen und Lüftungsanlagen – gegebenenfalls mit Wärmerückgewinnung – zum Einsatz. Die Wärmedämmung der Gebäudehülle erfolgt mit mineralischen Dämmsystemen sowie der Dämmung von Keller- und oberster Geschossdecke. Fenster werden in der Regel dreifach verglast. Durch Solarthermie- (Heizungsunterstützung) und Photovoltaikanlagen (Stromerzeugung) werden außerdem regenerative Energieträger genutzt. Dadurch spart die VBS eG in ihren Beständen jährlich derzeit rund 300 Tonne CO2 im Durchschnitt ein.
Außerdem errichtet die VBS eG zur Erweiterung ihres Bestandes regelmäßig Neubauten, die den aktuellen energetischen Anforderungen entsprechen. Hierbei kommen ebenfalls die zuvor genannten Komponenten zum Einsatz.

Der Gebäudesektor ist für einen wesentlichen Anteil an den Treibhausgasemissionen in Deutschland verantwortlich. Was muss Ihrer Meinung nach passieren, damit die Branche klimaneutral wird, ohne dass die Mieten explodieren?

Die mit den erhöhten Anforderungen an den Klimaschutz einhergehenden Kosten sind immens. Zusammen mit den ohnehin steigenden Baukosten und Aufwendungen für zusätzliche Auflagen – zum Beispiel Brandschutz – wachsen diese derzeit überproportional an. Für eine nicht renditeorientiert wirtschaftende Genossenschaft müssen die Mieterträge alle anfallenden Kosten decken. Das führt mittelfristig unweigerlich zu einem starken Anstieg der Mieten.
Gegensteuern ließe sich alleine durch eine Reduzierung des Maßnahmenumfangs. Das wäre in Anbetracht der sich verschärfenden klimatischen Bedingungen allerdings ein Schritt in die komplett falsche Richtung und würde den Klimaschutzvorgaben wiedersprechen!
Gerade für Genossenschaften ergibt sich somit ein nahezu unlösbarer Zielkonflikt, da der originäre Auftrag die soziale Wohnraumversorgung durch bezahlbare Mieten ist. In diesen Konflikt kommt letztendlich aber jedes Wohnungsunternehmen, das seiner sozialen Verantwortung gerecht werden möchte.
Ohne eine Beteiligung der öffentlichen Hand lässt sich dieser Konflikt nicht lösen. Damit der Gebäudesektor klimaneutral wird und die Mieten bezahlbar bleiben, sind erhebliche Fördergelder notwendig. Deren Höhe muss so berechnet sein, dass die notwendigen Investitionen in den Klimaschutz mietenneutral getätigt werden können.

Sie sind Mitglied der Initiative Wohnen.2050. Warum sind Sie dabei und welchen Beitrag kann diese Initiative zum Klimaschutz leisten?

Getreu unserer genossenschaftlichen Prinzipien sind wir gemeinsam stark. Das gilt auch für den Klimaschutz. Die Wohnungswirtschaft kann durch eine Bündelung ihres Know-hows von erheblichen Synergieeffekte profitieren. Innerhalb der Branche führt das zu einem konstruktiven Austausch, damit das „Rad nicht zweimal erfunden werden muss“.
Wichtig ist die Initiative aber auch, damit gegenüber der Politik ein mächtiges Sprachrohr existiert. Durch die Bündelung von Expertenwissen können gemeinsam mit der Politik sinnvolle Wege zur Festlegung der notwendigen und unterstützenden Maßnahmen auf dem Weg zu klimaneutralen Beständen erarbeitet werden. Es ist also in unserem Interesse, den Akteuren von IW.2050 durch eine aktive Unterstützung den Rücken zu stärken!

Über VBS: Die Genossenschaft gehört zu den ältesten Wohnungsgenossenschaften in Deutschland. Von engagierten Genossen am 20. November 1900 zu einer Zeit der großen Wohnungsnot gegründet, sind unsere heute 7.276 Mitglieder ein Spiegel der Gesellschaft. Manche Mitglieder wurden schon als „Genossen-Kind“ geboren, andere ziehen als Partner in die erste gemeinsame Wohnung und bleiben oft ein Leben lang VBS-Mieter. Von der Quadratmeterzahl bis zur Ausstattung können wir mit unseren rund 4.300 Wohnungen in Frankfurt und Steinbach/Taunus nahezu allen Lebenssituationen gerecht werden. Neben lebenslangem Wohnen genießen das soziale Miteinander, die Betreuung und Hilfe untereinander einen hohen Stellenwert. Mit unseren Neubauten und Modernisierungen setzen wir fast immer energetische Maßstäbe.

Filip John, Geschäftsführer Gemeinnützige Siedlungswerk GmbH

Filip, JohnIm Neubau ist Klimaschutz einfacher umzusetzen. Die Herausforderung stellen daher die Bestandsimmobilien dar. Wie sieht es in Ihren Beständen aus und welche Maßnahmen treffen Sie bereits?

Seit Anfang des Jahres – dem Start unseres internen Projektes NEMESIS – sind wir mit Nachhaltigem Energie- Management: Entwicklung strategischer Initiativen für das Gemeinnützige Siedlungswerk, ein gutes Stück vorangekommen.
Inzwischen wissen wir schon viel mehr, wie GSW dieser Herausforderung begegnen wird. Ein Team aus Betriebskostenabrechnung und Technischem Bestandsmanagement hat die erforderliche Datengrundlage geschaffen. Wir haben Höchstverbraucher unter den GSW-Liegenschaften identifiziert, eine CO2-Bilanz erstellt und erste Maßnahmen im Wirtschaftsplan 2021 berücksichtigt.
Damit kennen wir sogenannten Referenzwert, den CO2-Verbrauch, unseres Unternehmens: dieser liegt bei durchschnittlich 133 kWh/qm im Jahr und damit gleichauf mit vielen anderen Wohnungsbauunternehmen in Deutschland. In 2018 haben 6.055 GSW-Wohneinheiten rund 12.500 t CO2 emittiert. Das entspricht etwa der Menge, die ein Auto bei 1.530 Erdumfahrungen ausstoßen würde. Diesen hohen Wert müssen wir deutlich reduzieren.
Jetzt heißt es, Umsetzungsszenarien und konkrete Maßnahmen zu entwickeln und erste Realisierungsprojekte anzuschieben. Wesentlich ist dafür, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu gewinnen, damit dieses Vorhaben durch deren alltägliche Arbeit weiter vorangetragen wird. Dazu bedarf es umfassender Schulung und Information.

Klimaschutz ist ein gesamtgesellschaftliches Ziel und kann nicht nur auf dem Vermieter abgewälzt werden. Welche Unterstützung würden Sie sich von der Politik wünschen?

Neben der Regulierung, bedarf es jetzt viel mehr Klarheit bei der Refinanzierung dieses Vorhabens.
Gut für die Wohnungswirtschaft ist es, endlich Rechtssicherheit zu bekommen. Mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG), welches voraussichtlich am 1. November 2020 in Kraft tritt, wird bisherigen Initiativen, nämlich das Klimaschutzpaket der Bundesregierung, der European Green Deal der EU-Kommission und die Bund- Länder- Einigung zum Kohleausstieg, ein verlässlicher Rahmen gegeben. Noch besser wäre es auch praktikable Lösungsansätze für die wirtschaftlichen Herausforderungen zu bekommen.
Zwar wurden einige Initiativen zur Energieeffizienzförderung auf den Weg gebracht. Zum Beispiel attraktivere Fördersätze für energetische Sanierungen und jetzt auch Beratungen sowie steuerliche Vorteile bei der energetischen Gebäudesanierung. Für den Abschied von der Ölheizung gibt es eine Austauschprämie, für die energetische Gebäudesanierung Zuschüsse und steuerliche Förderung. Der Teufel steckt hierbei aber in Details, was wiederum eine vertiefte Auseinandersetzung mit einem ganzen Dschungel aus Möglichkeiten bei Finanzierung, Förderung, Abschreibung, Mietsteigerung, Umlagefähigkeit und Vielem mehr bedarf.

In der Initiative Wohnen 2050 haben sich über 60 Partner zusammengeschlossen, um an Konzepten für eine klimaneutrale Zukunft zu arbeiten. Wie kamen Sie zur Initiative und wie arbeiten Sie mit den anderen Unternehmen zusammen?

Als Wohnungsbauunternehmen mit kirchlichem Hintergrund können wir nicht nur über den Klimawandel reden, sondern müssen auch handeln.
Durch den Vortrag von Dr. Hain von der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte | Wohnstadt auf der EXPO Real 2019 wurden wir auf IW.2050 aufmerksam und sind noch rechtzeitig aufgesprungen, um als Gründungsmitglied mit dabei zu sein. Überzeugt hat uns die Verbindung von geballtem Know-how und Open-Source-Ansatz. Zudem werden Lösungen und Tools für die ressourcensparende Entwicklung von unternehmensspezifischen Wegen zur Klimaneutralität gemeinsam erarbeitet und ausgetauscht.
So bekommen auch kleinere Unternehmen, wie GSW, die Chance, sich ökonomisch und sachlich zieladäquat zu positionieren. Zusätzlich greifen wir gemeinsam mit Experten von ee concept GmbH, einem Spin-Off der Technischen Universität Darmstadt, auf einen externen Partner zurück, der bereits nachweisliche Erfolge bei der Beratung anderer Wohnungsbauunternehmen erzielt hat.
Bei aller Unterstützung von außen, bleibt dieses strategische Projekt ein ziemlicher Kraftakt vor allem für unsere eigenen Mitarbeiter, der neben dem alltäglichen Regelgeschäft geleistet werden muss.
Ausgehend von einem Status von 32 kg CO2 (Äquivalent/qm Wohnfläche) im Jahr 2018 muss GSW die Emissionen um über 70 Prozent senken – eine echte Herausforderung.

Über GSW: Gemeinnütziges Siedlungswerk GmbH: Als moderner Immobiliendienstleister bieten wir seit über 70 Jahren ein breites Produkt- und Dienstleistungsportfolio im Bauträgerbereich sowie in der Bestandsbewirtschaftung von ca. 8500 Wohneinheiten an.
Unsere Gesellschaft wurde am 25. März 1949 als Wohnungsunternehmen der Bistümer Limburg, Mainz und Fulda und deren Caritasverbände gegründet. Nach der Wiedervereinigung konnten das Bistum Erfurt und der Caritasverband für das Bistum Erfurt e. V. als weitere Gesellschafter unseres Unternehmens gewonnen werden.