"Ein neues Gleichgewicht wird sich einstellen müssen"
Interview mit Ditmar Joest


VdWaktuell: Herr Joest, Sie sind Vorsitzender des Fachausschusses Planung & Technik des VdW südwest. Wer ist in diesem Ausschuss vertreten und welche Themen diskutieren die Mitglieder dort?

Joest: Grundsätzlich steht der Ausschuss jedem Mitgliedsunternehmen offen, das sich für das Themengebiet interessiert. Mit 39 Mitgliedern ist der Ausschuss Planung & Technik sehr groß und die Mitglieder arbeiten aktiv mit. Der Ausschuss sollte meiner Meinung nach als Multiplikator verstanden werden, der Themen in die Mitgliedschaft hinein streut.

VdWaktuell: Wer vertritt die Unternehmen im Ausschuss?

Das können sowohl die Vorstände und Geschäftsführer sein, aber auch Kollegen, die in ihren Unternehmen für Planung und Technik zuständig sind oder etwas mit dem Bereich zu tun haben.

VT 2019 Joest © Kristina SchäferVdWaktuell: Inwieweit kann der Erfahrungsaustausch im Fachausschuss Unternehmen helfen, die dort nicht vertreten sind?

Joest: Das Thema Schadstoffe ist ein gutes Beispiel. Wir hatten darüber im Ausschuss diskutiert, aber uns war vollkommen klar, dass dieses Thema alle Mitgliedsunternehmen gleichermaßen beschäftigt. Darum hat der VdW südwest dazu eine eigene Veranstaltung organisiert. Und die Resonanz hat gezeigt, dass das der richtige Ansatz war. Der Teilnehmerkreis ging weit über die Ausschussmitglieder hinaus. Alle Teilnehmer und die Mitglieder waren der Thematik gegenüber sehr offen.

Darüber hinaus findet ein Austausch beim jährlichen Treffen der Fachausschussvorsitzenden statt. Ergänzend setzt der Verband auch Themen, die allgemein wichtig sind, bspw. in Presseveröffentlichungen oder Informationsschriften.

VdWaktuell: Die Wohnungsunternehmen des VdW südwest investieren kontinuierlich in die Modernisierung und Sanierung ihrer Bestände. Welchen Herausforderungen stehen sie aktuell gegenüber?

Joest: Die Verhältnisse zwischen Neubau, Modernisierung und Instandhaltung ändern sich derzeit drastisch. Wir sind alle von unseren Gesellschaftern aufgefordert, viel und neu zu bauen. Das war vor zehn Jahren ganz anderes. Da flossen 90 Prozent der Mittel in Instandhaltung und Modernisierung. Heute sind Instandhaltung und Modernisierung ein Stück weit zugunsten des Neubaus zurückgedrängt worden. Und natürlich bleibt dann das Problem, dass der Euro bei den Unternehmen nur einmal ausgegeben werden kann. Wir stehen vor der Herausforderung, dass auf der einen Seite die Investitionen in den Bestand wegen den notwendigen CO2-Einsparungen weiterhin auf einem hohen Niveau gehalten werden müssen, aber verstärkte Neubautätigkeit hinzugekommen ist. Themen wie Schadstoffe kommen noch dazu, die ebenfalls eine finanzielle Mehrbelastung bedeutet. Ein neues Gleichgewicht wird sich einstellen müssen.

VdWaktuell: Kommen wir zur Schadstoff-Tagung, die im Dezember stattfand. Der Wunsch, mehr darüber zu erfahren, ist u.a. in Ihrem Ausschuss entstanden. Warum ist das Thema so relevant für die Wohnungswirtschaft?

Joest: Das Thema Schadstoffe begleitet uns natürlich, solange wir am Bau tätig sind. Ein Baustoff, der lange als unbedenklich galt und alle notwendigen Kennzeichnungen hatte, stellte sich aufgrund neuer Untersuchungen als Schadstoff heraus. Es ist also nicht so, dass die Wohnungswirtschaft Schadstoffe in ihren Wohnungen verbaut hätte, sondern es stellte sich heraus, dass Stoffe, die in einer gewissen Zeit legal verwendet worden sind, eben schädlich sind und dann auch ausgebaut werden müssen, um die Gesundheit unserer Mieter zu schützen. Und da fängt das Problem meiner Ansicht nach an: Die Vorschriften zur Schadstoffbeseitigung sind sehr hoch und daher mit hohen vielen Kosten verbunden. Beim Asbestthema haben wir erschreckende Zahlen gehört, was die Kosten betrifft, wenn man allen Verpflichtungen nachkommen will, die sich vielleicht ergeben. Auch bei der Beseitigung gibt es sehr unterschiedliche Ansätze und es stellen sich Fragen: z.B. wann und wie ich als Vermieter meine Mieter informiere. Ich glaube, die Öffentlichkeit ist sich nicht darüber im Klaren, wie das Thema überhaupt einzuschätzen ist. Da gibt es auf ganz verschiedenen Ebenen drängende Fragen zu beantworten.

VdWaktuell: Die Tagung bot einen Überblick über verschiedene Schadstoffe, wo sie vorkommen und welche rechtlichen Aspekte es zu beachten gibt. Was ist ihr Fazit? Und wie könnte es weitergehen?

Joest: Das Fazit war sicherlich, dass die Instandsetzung von Wohnungen oder von Gebäuden ohne eine Begutachtung durch einen Fachmann was Schadstoffe betrifft gar nicht denkbar ist. Das heißt, ich muss mir zunächst mal sicher sein, um welches Gebäude es geht. Gibt es Schadstoffe, auf die ich Rücksicht nehmen muss? Vielleicht braucht es auch ein Entsorgungs-Konzept. Das wird das Thema der Zukunft sein und ich denke, wir werden dann immer besser in der Lage sein, zu beurteilen, ob eine Gefährdung wahrscheinlich ist.

Ich kann mir vorstellen, dass die Aufgeregtheit, die am Anfang da ist, sich irgendwann wieder legt und man mit einer gewissen Expertise sicherer wird. Bei der Beurteilung der Sachlage habe ich aus der Tagung aber noch etwas mitgenommen: Meiner Auffassung nach gehen die Gutachter bzw. die Schadstoffsanierer oft mit einem High-End-Konzept an die Thematik heran. Vorschläge zur Sanierung sind dann ziemlich kostenintensiv. Abgesehen davon: was vermitteln Menschen in Ganzkörperanzug und Atemmasken, die aus einer Wohnung herauskommen bei anderen Mietern? Wahrscheinlich Angst – vielleicht aber eine völlig unberechtigte Angst. Die wird es dann aber trotzdem erst einmal geben. Und das wird zu moderieren sein.

Was mich am meisten erschreckt hat war, dass Staaten wie China oder Russland im Jahr 2018 über diverse Produkte wie Wasserkocher und ähnliches jährlich bis zu 1,1 Millionen Tonnen Asbest neu in den Wirtschaftskreislauf eingebracht haben. Diese belasteten Produkte könnten dann in einer Wohnung landen, in der ein Sanierer gerade erst das letzte Nanogramm Asbestfaser, das im Bodenbelag verbaut ist und eigentlich unschädlich, weil gebunden ist, entfernt hat. Wir haben dann eine Giftbelastung in den Wohnungen, die wir uns als Wohnungswirtschaft zurechnen lassen müssen, weil nicht ganz klar ist, woher sie eigentlich kommt. Das finde ich ziemlich heikel.

VdWaktuell: Sie haben die Kosten angesprochen. Beim Wohnen geht es derzeit um die Bezahlbarkeit von Wohnen, Klimaschutz und Modernisierung. Gleichzeitig greift die Politik regulierend ein. Kann die Wohnungswirtschaft überhaupt all diesen Anforderungen noch entsprechen?

Joest: Ich denke es kommt darauf an, die einzelnen Themen in ein neues Gleichgewicht zu bringen. Kein Mensch wird sich dagegen verwehren, dass zum Beispiel das Thema Schadstoffe in Wohnungen ernsthaft angegangen werden muss und wir natürlich alles dafür tun müssen, die Gesundheit unserer Mieter zu schützen. Aber auf der anderen Seite stehen wir vor dem Problem, dass zum Beispiel Böden ausgebaut werden müssen, die zwar asbesthaltig sind, aber erst durch den Ausbau überhaupt eine Schadstoffbelastung entsteht und der anfallende Schutt noch als Sondermüll entsorgt werden muss. Dann entsteht eine Kette von Dingen, wo der ganzheitliche Blick auf den Vorgang verloren geht. Wir müssen einen Weg finden, der es uns ermöglicht, für gesunde Lebensverhältnisse zu sorgen und trotzdem den Aufwand im Rahmen hält. Am Ende geht es darum, sich ernsthaft mit dem Thema auseinanderzusetzen und zu schauen, was tatsächlich notwendig ist.

VdWaktuell: Was würden Sie sich vom Verband wünschen, was er dem Bereich Schadstoffe tun kann?

Joest: Das, was von der Politik im Moment von der Wohnungswirtschaft abverlangt wird, ist so umfänglich wie nie zuvor. Der Verband hat also gut zu tun. Er ist für mich eine Institution, die hier als Multiplikator eintreten kann. Das heißt, er kann unterstützen, die Erfahrungen und Expertise an die Mitglieder weiterzugeben.

Zur Person:
Dipl.- Ing. Ditmar Joest ist Geschäftsführer der kwb Kommunale Wohnungsbau GmbH Rheingau Taunus. Das in Bad Schwalbach ansässige Unternehmen bewirtschaftet 2.500 Wohneinheiten. Im Frühjahr 2019 realisierte die kwb ein Mehrfamilienhaus in Idstein mittels serieller und modularer Bauweise. Als erstes Wohnungsunternehmen in Deutschland nutzte die kwb dafür die Rahmenvereinbarung des GdW. Joest ist Vorsitzender des Fachausschusses Planung & Technik.

Foto: Ditmar Joest beim Verbandstag des VdW südwest 2019 in Kassel © Kristina Schäfter

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