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Wenigermiete.de darf weiter für Mieter klagen

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 27. November 2019 entschieden, dass das Geschäftsmodell des Onlineportals von der Inkassolizenz abgedeckt, also rechtmäßig, ist.

BGH, Urteil vom 27. November 2019, Az.: VIII ZR 285/19

Das Geschäftsmodell

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©wenigermieten.de
Das Unternehmen „LexFox“ ist als Rechtsdienstleister für Inkassodienstleistungen registriert (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Rechtsdienstleistungsgesetz – RDG). Auf der Internetseite www.wenigermiete.de stellt das Unternehmen einen für Besucher kostenlos nutzbaren „Online-Rechner“ („Mietpreisrechner“) zur Verfügung. Die Software ermittelt zunächst unentgeltlich die ortsübliche Vergleichsmiete. Im Weiteren bietet wenigermiete.de die Durchsetzung von Forderungen sowie etwaiger Feststellungsbegehren gegen den Vermieter „im Zusammenhang mit der sogenannten Mietpreisbremse“.

In diesem Zusammenhang tritt der Mieter sämtliche vorstehend genannten Ansprüche gegen seinen Vermieter ab. Als Vergütung („Provision“) erhält der Onlinedienst im Falle des Erfolges seiner außergerichtlichen Bemühungen einen Anteil an der erreichten Mietrückzahlung in Höhe eines Drittels „der ersparten Jahresmiete“. Zudem erhält er für das Abfassen eines Mahnschreibens an den Vermieter eine Vergütung in der Höhe, wie sie einem Rechtsanwalt nach den Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) zustehen würde. Zahlungsansprüche hieraus macht er jedoch nicht gegen den Mieter, sondern, aufgrund einer mit Vertragsabschluss erfolgten Abtretung eines möglichen Freistellungsanspruchs des Mieters gegen den Vermieter, gegen letzteren geltend.

Bleiben die Bemühungen des Unternehmens erfolglos, entstehen für den Mieter – auch in den Fällen der Beauftragung eines Rechtsanwalts und der gerichtlichen Geltendmachung der Forderungen – keine Kosten.

Der konkrete Fall

Im zu entscheidenden Fall beauftragte der Mieter den Onlinedienst mit der Geltendmachung und Durchsetzung seiner Forderungen und Feststellungsbegehren wegen Verstoßes gegen die Miethöhenbegrenzung (§ 556d BGB) und trat dazu seine Ansprüche gegen den Vermieter an den Onlinedienst ab. Dieser machte nach Auskunftsverlangen und Rüge nach § 556g Abs. 2 BGB gegen den Vermieter, Ansprüche auf Rückzahlung überhöhter Miete und Zahlung von Rechtsverfolgungskosten geltend. Der Vermieter wehrt sich mit der Begründung, dass dem Onlinedienst die geltend gemachten Ansprüche nicht zustünden. Die Forderungsabtretung sei nichtig, da der Onlinedienst keine Erlaubnis im Sinne des RDG für ihr Geschäftsmodell vorläge.

Die Entscheidung

Der BGH entschied, dass die hier zu beurteilende Tätigkeit des Onlinedienstes von der Inkassodienstleistungsbefugnis gedeckt ist.

Überschreitet ein registrierter Inkassodienstleister seine Inkassodienstleistungsbefugnis nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG, kann darin ein Verstoß gegen § 3 RDG liegen. Von einer Nichtigkeit nach § 134 BGB ist danach insbesondere dann regelmäßig auszugehen, wenn der registrierte Inkassodienstleister Tätigkeiten vornimmt, die von vornherein nicht auf eine Forderungseinziehung im Sinne des § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG, sondern etwa auf die Abwehr von Ansprüchen gerichtet sind oder eine über den erforderlichen Zusammenhang mit der Forderungseinziehung hinausgehende Rechtsberatung zum Gegenstand haben oder wenn das „Geschäftsmodell“ des Inkassodienstleisters zu einer Kollision mit den Interessen seines Auftraggebers führt.

Das Rechtsdienstleistungsgesetz legt den Begriff der Inkassodienstleistung jedoch weit aus. Es dient ferner dazu, die Rechtsuchenden, den Rechtsverkehr und die Rechtsordnung vor unqualifizierten Rechtsdienstleistungen zu schützen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 RDG). Demgemäß bestimmt § 3 RDG, dass die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen nur in dem Umfang zulässig ist, in dem sie durch das Rechtsdienstleistungsgesetz oder andere Gesetze erlaubt wird.

Einen solchen Erlaubnistatbestand, in dessen Umfang die Erbringung außergerichtlicher Rechtsdienstleistungen zulässig ist, enthält § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 RDG. Nach dieser Vorschrift dürfen registrierte Personen, die im Rechtsdienstleistungsregister eingetragen sind, aufgrund besonderer theoretischer und praktischer (§ 11 Abs. 1, § 12 Abs. 1 Nr. 2 RDG) Sachkunde (außergerichtliche) Rechtsdienstleistungen in dem Bereich der Inkassodienstleistungen (§ 2 Abs. 2 Satz 1 RDG) erbringen. Setze das Inkassounternehmen die von ihm verlangte, überprüfte und für genügend befundene Sachkunde bei der Einziehung fremder oder zu Einziehungszwecken abgetretener Forderungen ein, so sei nicht erkennbar, dass damit eine Gefahr für den Rechtsuchenden oder den Rechtsverkehr verbunden sein könnte.

Der BGH entschied, der Onlinedienst ist, wie beschrieben, registriert. Die für den Mieter erbrachten Tätigkeiten des Onlinedienstes sind, auch bei einer Gesamtwürdigung, (noch) als Inkassodienstleistung gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG anzusehen und deshalb von der erteilten Erlaubnis gedeckt.

Dies gilt sowohl für den Einsatz des schon vor der eigentlichen Beauftragung durch den Kunden eingesetzten „Mietpreisrechner“ als auch für die Erhebung der Rüge gemäß § 556g Abs. 2 BGB sowie das Feststellungsbegehren bezüglich der höchstzulässigen Miete. Sämtliche Maßnahmen hängen mit der Einziehung der Forderung, die den Gegenstand des „Inkassoauftrages“ bildet, nämlich der Rückforderung überzahlter Mieten, eng zusammen und dienen der Verwirklichung dieser Forderung. Sie sind deshalb insgesamt (noch) als Inkassodienstleistung und nicht als Rechtsdienstleistung bei der Abwehr von Ansprüchen oder bei der Vertragsgestaltung und allgemeinen Rechtsberatung anzusehen, zu der eine Registrierung als Inkassodienstleister nicht berechtigt.

Es lässt sich auch keine Überschreitung der Inkassobefugnis des Onlinedienstes aus dem Gesichtspunkt möglicher Wertungswidersprüche zu den in einem vergleichbaren Fall für Rechtsanwälte geltenden strengeren berufsrechtlichen Vorschriften herleiten. Zwar wäre es einem Rechtsanwalt berufsrechtlich grundsätzlich weder gestattet, mit seinem Mandanten ein Erfolgshonorar zu vereinbaren (§ 49b Abs. 2 Satz 1 BRAO, § 4a RVG), noch dem Mandanten im Falle einer Erfolglosigkeit der Inkassotätigkeit eine Kostenübernahme zuzusagen (§ 49b Abs. 2 Satz 2 BRAO). Es handelt sich jedoch bei den registrierten Inkassodienstleistern, im Gegensatz zu Rechtsanwälten, nicht um Organe der Rechtspflege.

Auch die Vereinbarung eines Erfolgshonorars und einer Kostenübernahme führt nicht zu einer Interessenkollision im Sinne des § 4 RDG, da durch die Vereinbarung ein beträchtliches Eigeninteresse des Onlinedienstes am Erfolg besteht.

Da dem Unternehmen somit vorliegend ein Verstoß gegen das Rechtsdienstleistungsgesetz nicht zur Last fiel, war die zwischen dem Mieter und dem Onlinedienst vereinbarte Abtretung wirksam. Der BGH hat deshalb das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, damit die bisher nicht getroffenen Feststellungen zum Bestehen der mit der Klage geltend gemachten Ansprüche nachgeholt werden können.

Anmerkung

Das Urteil verleiht der Legal-Tech-Branche neuen Rückenwind, indem es die Rechtmäßigkeit der Geschäftsmodelle wie „wenigermiete.de“ bestätigt. Die Wohnungswirtschaft, wie auch andere Branchen, werden sich in Zukunft verstärkt mit solchen Portalen auseinandersetzen müssen. Der BGH hat den Begriff des „Inkassos“ eher großzügig ausgelegt. Stellt sich die Frage, welche weiteren Geschäftsmodelle noch als Inkassotätigkeiten anzusehen sind.

Durch das Urteil wird aber auch die Frage des Erfolgshonorars für Rechtsanwälte erneut aufgeworfen.

Kaup, HelenaIhre Ansprechpartnerin
RAin Helena Kaup


Referentin für Recht, Syndikusrechtsanwältin
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