Mietrecht
Räum- und Streupflicht hört an der Grundstücksgrenze auf

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 21. Februar 2018 entscheiden, dass ein Vermieter und Grundstückseigentümer, dem die Gemeinde nicht (als Anlieger) die allgemeine Räum- und Streu­pflicht übertragen hat, regelmäßig nicht verpflichtet ist, auch über die Grundstücksgrenze hinaus Tei­le des öf­fent­li­chen Gehwegs zu räumen oder zu streuen.

Räum- und Streupflicht 3.2018Sachverhalt
Der Mieter einer Wohnung verklagte den Vermieter (be­zie­hungs­wei­se Eigentümer) eines Anwesens in der In­nen­stadt von München auf Schadensersatz aus der Ver­let­zung ei­ner Verkehrssicherungspflicht. Am 17. Januar 2010 stürzte der Mieter beim Verlassen des Wohnhauses auf einem schmalen von der Stadt Mün­chen nicht geräumten Streifen des öffentlichen Geh­wegs im Bereich des Grundstückseingangs vor dem An­we­sen des Vermieters. Hierbei zog er sich eine Fraktur am rech­ten Knö­chel zu. Die Stadt München hatte den Geh­weg mehr­fach ge­räumt und gestreut, wenn auch nicht auf der gan­zen Brei­te und auch nicht bis zur Schwelle des un­mit­tel­bar an den Gehweg angrenzenden Anwesens des Ver­mie­ters. Die­ser hatte wiederum keine Schnee­räum­pflich­ten auf dem Gehweg vorgenommen, weil er der Mei­nung war, da­zu nicht verpflichtet zu sein. Der Mieter ha­tte ihn da­rauf­hin ver­klagt.

Entscheidung
Der BGH hat die Klage abgewiesen. Der Vermieter war nicht verpflichtet, den öffentlichen Gehweg vor dem Haus zu räumen oder zu streuen. Zwar ist ein Vermieter aus dem Mietvertrag verpflichtet, dem Mieter während der Mietzeit den Gebrauch der Mietsache und damit auch den Zugang zum Mietobjekt zu gewähren (§ 535 Abs. 1 BGB). Dazu gehört es grundsätzlich auch, die auf dem Grundstück der vermieteten Wohnung befindlichen Wege, insbesondere vom Hauseingang bis zum öffentlichen Straßenraum, zu räumen und zu streuen. Die gleiche Pflicht trifft den Eigentümer eines Grundstücks im Übrigen auch im Rahmen der allgemeinen Verkehrssicherungspflicht (§ 823 Abs. 1 BGB) etwa gegenüber Mietern, Besuchern und Lieferanten.

Vorliegend war der Mieter allerdings nicht auf dem Grundstück, sondern auf dem öffentlichen Gehweg ge­stürzt. Die dem Vermieter seinen Mietern gegenüber obliegende (vertragliche) Verkehrssicherungspflicht be­schränkt sich jedoch regelmäßig auf den Bereich des Grundstücks. Entsprechendes gilt für die allgemeine (de­lik­ti­sche) Verkehrssicherungspflicht des Eigentümers, sofern die Räum- und Streupflicht für den öf­fent­li­chen Geh­weg von der Gemeinde nicht auf die Eigentümer (Anlieger) übertragen ist. Im Streitfall lag die Ver­kehrs­si­che­rungs­pflicht für den öffentlichen Gehweg vor dem Anwesen indes bei der Stadt München und nicht bei dem in­so­weit vom Winterdienst befreiten Vermieter.

Eine Ausweitung der betreffenden Verkehrssicherungspflicht über die Mietsache beziehungsweise über das Grundstück hinaus kommt demgegenüber allenfalls ausnahmsweise bei Vorliegen ganz außergewöhnlicher Um­stän­de in Betracht, die im Streitfall aber nicht gegeben waren. Dem Mieter war es entsprechend zu­mut­bar, mit der gebotenen Vorsicht den schmalen, nicht geräumten Streifen des Gehwegs zu überqueren, um zu dem (durch die Stadt München) von Schnee und Eis befreiten Bereich zu gelangen. Die auf Zahlung eines materiellen Schadensersatz gerichtet Klage des Mieters blieb deswegen in allen In­stan­zen ohne Erfolg (Urteil des BGH vom 21. Februar 2018, Az.: VIII ZR 255/16).

Anmerkung
Das Urteil des BGH ist konsequent und auch folgerichtig, denn die Verkehrssicherungspflichten eines Grund­stücks­ei­gen­tü­mers dürfen nicht uferlos sein. Entsprechend ist eine klare Grenzziehung, bis wohin der Grund­stücks­ei­gen­tü­mer sei­nen Verkehrssicherungspflichten nachzukommen hat, auch sinnvoll. Dennoch ist in der Praxis zu beachten, dass im vorliegenden Fall die Stadt München die Räum- und Streupflicht der öffentlichen Geh­we­ge nicht auf die Grund­stücks­ei­gen­tü­mer übertragen hat. In vielen an­de­ren Städ­ten ist dies allerdings der Fall, wes­halb dann wie­de­rum eine weitere Grenzziehung erfolgt. Ferner hat sich der BGH weiterhin eine Hintertür offen ge­hal­ten, für ganz außergewöhnliche Umstände, welche dann wiederum einer anderen rechtlichen Be­trach­tung be­dür­fen.

Bildquelle: Udo Koranzki
www.bundesgerichtshof.de

Slapnicar, Peer-Ulf Ihr Ansprechpartner
RA (Syndikus-RA) Peer-Ulf Slapnicar


Syndikusrechtsanwalt, Referent Recht
Telefon: 069 97065-177
peer-ulf.slapnicar@vdwsuedwest.de