Der Bundesgerichtshof (BGH) hat am 8. Juli 2020 zwei Entscheidungen veröffentlicht, die sich mit der Frage befasst haben, ob ein Vermieter seinerseits zur Durchführung von Schönheitsreparaturen beziehungsweise zur entsprechenden Kostenübernahme in laufenden Mietverhältnissen bei anfänglich unrenoviert überlassenen Wohnungen verpflichtet ist, wenn die mietvertragliche Klausel zur Übertragung der Schönheitsreparaturen auf den Mieter unwirksam ist. Beide Verfahren haben ihren Ursprung in Berlin und wurden von zwei verschiedenen Kammern des Landgerichts (LG) Berlin in der Vorinstanz voneinander abweichend entschieden.
BGH, Urteile vom 8. Juli 2020, Az.: VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18
Sachverhalt
1. Verfahren VIII ZR 163/18
Die Kläger mieteten im Jahr 2002 von dem beklagten Vermieter eine bei Überlassung unrenovierte Wohnung in Berlin. Da sich aus Sicht der Mieter der Zustand der Wohnungsdekoration zwischenzeitlich verschlechtert habe, forderten sie den Vermieter im März 2016 vergeblich auf, Tapezier- und Anstricharbeiten gemäß einem beigefügten Kostenvoranschlag ausführen zu lassen.
Die auf Zahlung eines entsprechenden Vorschusses in Höhe von (zuletzt) 7.312,78 Euro gerichtete Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg.
Zur Begründung hat das LG Berlin ausgeführt, den Mietern stehe ein Vorschussanspruch aus § 536a Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht zu, da die Mietsache aufgrund ihres dekorativen Verschleißes nicht mangelhaft (§ 536 Abs. 1 BGB) geworden sei. Da die Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag unwirksam sei, sei zwar grundsätzlich der Vermieter zur Instandhaltung verpflichtet. Auch sei davon auszugehen, dass sich der Zustand der Wohnungsdekoration nach einer Mietzeit von 14 Jahren im Vergleich zum (unrenovierten) Anfangszustand weiter verschlechtert habe. Jedoch hätten die Mieter diesen Zustand als vertragsgemäß akzeptiert, sodass ein Anspruch auf Vornahme von Renovierungsarbeiten gegen den Vermieter von vorne herein ausscheide, zumal dadurch eine deutlich über den vertragsgemäß geschuldeten Zustand der Wohnung hinausgehende Verbesserung erzielt würde, welche der Vermieter nicht schulde. Ein Anspruch des Mieters auf ein Tätigwerden des Vermieters bestehe nur dann, wenn die Wohnung zwischenzeitlich „verkommen“ und „Substanzschäden“ vorzubeugen sei. Dafür sei nichts ersichtlich.
2. Verfahren VIII ZR 270/18
In diesem Verfahren begehrt der Mieter die Verurteilung der Vermieterin zur Vornahme konkret bezeichneter Schönheitsreparaturen. Die Wohnung war ihm bei Mietbeginn im Jahr 1992 unrenoviert überlassen worden. Im Dezember 2015 forderte er die Vermieterin vergeblich auf, die aus seiner Sicht zur Beseitigung des mangelhaften Renovierungszustands erforderlichen Malerarbeiten in der Wohnung auszuführen. Die Klage hatte in den Vorinstanzen Erfolg.
Zur Begründung hat das LG Berlin ausgeführt, dem Mieter stehe ein Anspruch auf Durchführung der von ihm geforderten Instandhaltungsarbeiten aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB zu. Zwar bestimme sich die Erhaltungspflicht des Vermieters nach dem Zustand der Mietsache bei Vertragsschluss. Danach wäre die Vermieterin aufgrund der unrenoviert überlassenen Wohnung lediglich verpflichtet, nach einem weiteren dekorativen Verschleiß den Ursprungszustand wiederherzustellen, nicht aber durch eine vollständige Renovierung dem Mieter eine Wohnung zu verschaffen, die deutlich besser sei als zu Anfang.
Jedoch sei in Fällen wie dem vorliegenden nicht davon auszugehen, dass der schlechte Anfangszustand der vertragsgemäße sei. Der Vermieter müsse sich an dem im Mietvertrag festgehaltenen – jedoch unwirksamen – „Renovierungsprogramm“, wonach der Mieter von Zeit zu Zeit die Schönheitsreparaturen hätte ausführen müssen, spiegelbildlich festhalten lassen.
Entscheidung
Der BGH hat in beiden Fällen die Urteile des LG Berlin aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Zwar sind die Berufungskammern in beiden Fällen zutreffend davon ausgegangen, dass die Übertragung der Schönheitsreparaturen auf die Mieter im Formularmietvertrag unwirksam ist, da diesen jeweils eine unrenovierte Wohnung überlassen und ihnen hierfür kein angemessener finanzieller Ausgleich gezahlt wurde. Der BGH hat damit seine Rechtsprechung bestätigt, wonach in diesen Fällen an die Stelle der unwirksamen Schönheitsreparaturklausel die gesetzlich (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) normierte Erhaltungspflicht des Vermieters tritt (vgl. BGH-Urteile vom 18. März 2015, Az.: VIII ZR 185/14 und vom 22. August 2018, Az.: VIII ZR 277/16).
Für eine von der Vermieterseite befürwortete ergänzende Vertragsauslegung, dass dem Mieter die Ausführung von Arbeiten auf eigene Kosten freistehe, der Vermieter Schönheitsreparaturen aber unter keinen Umständen selbst auszuführen habe, ist deshalb kein Raum.
Ebenso wenig kann aber der unwirksamen Formularklausel auch der Inhalt beigemessen werden, der Vermieter müsse sich spiegelbildlich an der dort vorgesehenen (frischen) Renovierung festhalten lassen und deshalb treffe ihn – ohne Rücksicht auf den (vertragsgemäßen) unrenovierten Zustand bei Mietbeginn – eine uneingeschränkte Renovierungspflicht.
Ausgangspunkt der den Vermieter treffenden Erhaltungspflicht ist grundsätzlich der Zustand der Wohnung im Zeitpunkt ihrer Überlassung an die jeweiligen Mieter, vorliegend nach der Verkehrsanschauung mithin der unrenovierte Zustand, in dem sie die Wohnung besichtigt und angemietet haben, ohne dass Vereinbarungen über vom Vermieter noch auszuführende Arbeiten getroffen wurden.
Dies führt aber nicht dazu, dass Instandhaltungsansprüche der Mieter unabhängig von dem weiteren Verschleiß der Dekoration von vornherein auszuscheiden hätten. Vielmehr trifft den Vermieter eine Instandhaltungspflicht, wenn sich der anfängliche Dekorationszustand wesentlich verschlechtert hat – was nach langem Zeitablauf seit Mietbeginn (hier: 14 beziehungsweise 25 Jahre) naheliegt.
Allerdings ist die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel, zumindest aber wirtschaftlich nicht sinnvoll, und liegt auch nicht im Interesse vernünftiger Mietvertragsparteien. Vielmehr ist allein eine Durchführung von Schönheitsreparaturen sach- und interessengerecht, durch die der Vermieter die Wohnung in einen frisch renovierten Zustand versetzt. Da hierdurch auch die Gebrauchsspuren aus der Zeit vor dem gegenwärtigen Mietverhältnis beseitigt werden und der Mieter nach Durchführung der Schönheitsreparaturen eine Wohnung mit einem besserem als dem vertragsgemäßen Zustand bei Mietbeginn erhält, gebietet es der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB), die jeweiligen Interessen der Vertragspartner in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
Vor diesem Hintergrund hat der Senat entschieden, dass der Mieter in derartigen Fällen zwar einerseits vom Vermieter eine „frische“ Renovierung verlangen kann, sich aber andererseits in angemessenem Umfang an den dafür erforderlichen Kosten zu beteiligen hat. Soweit nicht Besonderheiten vorliegen, wird dies regelmäßig eine hälftige Kostenbeteiligung bedeuten.
Begehrt der Mieter (wie im Verfahren VIII ZR 270/18) die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter, so kann dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden. Verlangt der Mieter von dem mit der Durchführung der Arbeiten in Verzug geratenen Vermieter die Zahlung eines Kostenvorschusses (wie im Verfahren VIII ZR 163/18) führt die angemessene Kostenbeteiligung zu einem entsprechenden Abzug von den voraussichtlichen Kosten.
Anmerkung
Nach Veröffentlichung der vollständigen Entscheidungsgründe werden wir über mögliche weitere Auswirkungen der beiden Urteile informieren.
Auswirkungen auf Wohnungsunternehmen
Die Übertragung von Schönheitsreparaturen auf Mieter im Formularmietvertrag ist unwirksam, wenn es sich um eine unrenovierte Wohnung handelt und der Mieter keinen angemessenen Ausgleich erhält. An dieser Rechtsprechung des BGH wird hier ausdrücklich festgehalten. Spiegelbildlich entscheidet der BGH nunmehr über den vom Mieter zu zahlenden, angemessenen Ausgleich, wenn der Vermieter die Arbeiten durchführt.
Richtig ist die Einschätzung des BGH, dass die Wiederherstellung des (vertragsgemäßen) Anfangszustandes in der Regel nicht praktikabel und sinnvoll ist. Nach Durchführung der Arbeiten durch den Vermieter ist die Wohnung in aller Regel also in einem besseren Zustand als vertraglich vereinbart. Dies ist der Grund, warum sich der BGH nunmehr für eine Beteiligung des Mieters an den erforderlichen Kosten in angemessenem Umfang ausspricht. Im Regelfall sieht der BGH hier eine hälftige Kostenbeteiligung vor.
Für Vermieter wichtig ist weiter, dass, wenn der Mieter die Vornahme der Schönheitsreparaturen durch den Vermieter verlangt, dieser die Kostenbeteiligung des Mieters nach Art eines Zurückbehaltungsrechts einwenden kann. Insofern sollte vor Durchführung der Arbeiten Klarheit über die eventuelle Kostenbeteiligung geschaffen werden.
Es wird klargestellt, dass diese Entscheidung nur unrenoviert übergebene Wohnungen betrifft. Für renoviert übergegebene Wohnungen bleibt es dabei, dass die Übertragung von Schönheitsreparaturen auf den Mieter zulässig bleibt.