Schadensersatzrecht
Verantwortlichkeit eines Grundstückseigentümers bei Schäden am Nachbarhaus

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2018 entschieden, dass ein Grund­stücks­ei­gen­tü­mer, der einen Handwerker Reparaturarbeiten am Haus vornehmen lässt, gegenüber dem Nachbarn verantwortlich ist, wenn das Haus infolge der Arbeiten in Brand gerät und das Nachbargrundstück dabei beschädigt wird. Dass der Handwerker sorgfältig ausgesucht wurde, ändert daran nichts.

Schadenersatzrecht 3.2018Sachverhalt
Die Grundstückseigentümer sind Rechtsnachfolger der ursprünglichen Eheleute eines Wohnhauses. Am 8. Dezember 2011 führte ein Dachdecker in ihrem Auftrag am Flachdach des Hauses Reparaturarbeiten durch. Im Verlauf der mit Hil­fe eines Brenners durchgeführten Heißklebearbeiten verursachte er schuldhaft die Entstehung eines Glutnestes un­ter den aufgeschweißten Bahnen. Am Abend bemerkten die Eheleute Flammen in dem Bereich, in dem der Dach­de­cker ge­ar­bei­tet hatte. Der alarmierten Feuerwehr gelang es nicht, das Haus zu retten. Es brannte vollständig nie­der. Durch den Brand und die Löscharbeiten wurde das an das brennende Haus unmittelbar angebaute Haus der Nach­ba­rin er­heb­lich be­schä­digt. Das Haus der Nachbarin ist bei einer Versicherung versichert. Diese hat ihr eine Entschädigung geleistet und verlangt nun von den Grundstückeigentümern aus übergegangenem Recht gemäß § 86 Abs. 1 VVG Ersatz. Über das Vermögen des zur Zahlung von 97.801,29 Euro verurteilten Dachdeckers ist das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet.

Entscheidung
Der BGH hat entschieden, dass der Versicherung gegen die Grundstückseigentümer ein verschuldensunabhängiger nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung von § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB i. V. m. § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG zusteht. Ein nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH gegeben, wenn von einem Grund­stück im Rahmen privatwirtschaftlicher Benutzung rechtswidrige Einwirkungen auf ein anderes Grundstück aus­ge­hen, die der Eigentümer oder Besitzer des betroffenen Grundstücks nicht dulden muss, aus besonderen Gründen jedoch nicht unterbinden kann, sofern er hierdurch Nachteile erleidet, die das zumutbare Maß einer ent­schä­di­gungs­los hin­zu­neh­men­den Beeinträchtigung übersteigen. Hiervon ist auszugehen, wenn ein Brand auf ein fremdes Grund­stück über­greift, da der Nachbar die Gefahr in aller Regel nicht erkennen und die Einwirkungen auf sein Grundstück da­her nicht recht­zei­tig ab­weh­ren kann.

Weitere Voraussetzung des nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruchs ist, dass der Anspruchsgegner als Störer im Sinne des § 1004 Abs. 1 BGB zu qualifizieren ist. Hierfür ist erforderlich, dass die Beeinträchtigung des Nachbargrundstücks wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers zurückgeht. Ob dies der Fall ist, kann nur in wer­ten­der Betrachtung von Fall zu Fall festgestellt werden. Entscheidend ist, ob es jeweils Sachgründe gibt, dem Grund­stücks­ei­gen­tü­mer oder -besitzer die Verantwortung für ein Geschehen aufzuerlegen. Dies hat der BGH in frü­he­ren Ent­schei­dun­gen beispielsweise bejaht, wenn ein Haus infolge eines technischen Defekts seiner elektrischen Geräte oder Lei­tun­gen in Brand gerät oder Wasser infolge eines Rohrbruchs auf das Nachbargrundstück gelangt. Hierdurch ver­ur­sach­te Stö­run­gen stellen kein allgemeines Risiko dar, das sich – wie etwa ein Blitzschlag – ebenso gut bei dem Haus des Nach­barn hätte verwirklichen können und dessen Auswirkungen von dem jeweils Betroffenen selbst zu tragen sind. Auch wenn konkret kein Anlass für ein vorbeugendes Tätigwerden bestanden haben mag, beruhen sie auf Umständen, auf die grund­sätz­lich der Grundstückseigentümer beziehungsweise -besitzer, und nur dieser, Einfluss neh­men konn­te.

Auch im vorliegenden Fall hat der BGH die Störereigenschaft bejaht. Der Annahme einer Verantwortlichkeit der Grund­stücks­ei­gen­tü­mer steht nicht entgegen, dass der Brand auf die Handlung eines Dritten, nämlich auf die Arbeiten des von ihnen mit der Vornahme einer Dachreparatur beauftragten Handwerkers, zurückzuführen ist. Mittelbarer Hand­lungs­stö­rer ist auch derjenige, der die Beeinträchtigung des Nachbarn durch einen anderen in adäquater Weise durch sei­ne Willensbetätigung verursacht. Für die Zurechnung des durch den Handwerker her­bei­ge­führ­ten gefahrträchtigen Zustands des Grund­stücks kommt es nicht darauf an, ob die Rechts­vor­gän­ger der Grundstückseigentümer bei der Auswahl des Hand­wer­kers Sorgfaltspflichten verletzt haben. Maßgeblich ist vielmehr, ob es Sachgründe gibt, die aufgetretene Störung ihrem Verantwortungsbereich zuzurechnen. Das ist der Fall. Die Rechtsvorgänger der Grundstückseigentümer waren diejenigen, die die Vornahme von Dacharbeiten veranlasst haben und die aus den beauftragten Arbeiten Nut­zen ziehen wollten. Dass sie den Handwerker sorgfältig ausgesucht und ihm die konkrete Ausführungsart nicht vor­ge­schrie­ben haben, ändert nichts daran, dass sie mit der Beauftragung von Dacharbeiten eine Gefahrenquelle ge­schaf­fen ha­ben und damit der bei der Auftragsausführung verursachte Brand auf Umständen beruhte, die ihrem Ein­fluss­be­reich zu­zu­rech­nen sind (Urteil des BGH vom 9. Februar 2018, Az.: V ZR 311/16).

Bildquelle: Udo Koranzki
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