WEG-Recht
Verbot der Kurzzeitvermietung bedarf Zustimmung aller Wohnungseigentümer


Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 12. April 2019 entschieden, dass ein generelles, also sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Vermietungen bezogenes Vermietungsverbot nur dann rechtmäßig ist, wenn alle Wohnungseigentümer zustimmen.

RechtSachverhalt

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft mit acht Wohnungen. Die Klägerin ist Eigentümerin einer der Wohnungen, die Beklagten sind die übrigen Wohnungseigentümer. Die Teilungserklärung enthält eine Regelung, wonach den Wohnungseigentümern auch die kurzzeitige Vermietung ihrer Wohnungen, zum Beispiel an Feriengäste, gestattet ist. Eine Öffnungsklausel sieht vor, dass die Teilungserklärung mit einer Mehrheit von 75 Prozent aller Miteigentumsanteile geändert werden kann. Mit einer solchen Mehrheit beschlossen die Wohnungseigentümer, die Teilungserklärung dahingehend zu ändern, dass die Überlassung einer Wohnung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste, vor Ort befristet Tätige oder andere Mieter mit Unterkunftsbedürfnissen von kurzer Dauer sowie eine Nutzung als Werkswohnung nicht mehr zulässig ist.

Hiergegen ging die Klägerin gerichtlich vor und wollte die Nichtigkeit des Beschlusses feststellen lassen.

Entscheidung

Der BGH gab der Klägerin Recht und hat entschieden, dass der Beschluss rechtswidrig ist, weil die Zustimmung der Klägerin fehlte.

Dabei hat sich der BGH von folgenden Erwägungen leiten lassen: Nach der bislang geltenden Gemeinschaftsordnung war die kurzzeitige Vermietung zulässig. Dienen Einheiten zu Wohnzwecken, ist dies als Zweckbestimmung mit Vereinbarungscharakter anzusehen. Die zulässige Wohnnutzung umfasst, wie der BGH schon im Jahr 2010 entschieden hat, auch die Vermietung an täglich oder wöchentlich wechselnde Feriengäste. Aufgrund der Regelung in der Teilungserklärung waren diese Vermietungsformen vorliegend sogar ausdrücklich erlaubt.

Zwar erlaubt es die allgemeine Öffnungsklausel den Wohnungseigentümern, solche Vereinbarungen mit qualifizierter Mehrheit zu ändern. Zum Schutz der Minderheit sind dabei aber bestimmte fundamentale inhaltliche Schranken zu beachten. Das gilt unter anderem für Beschlussgegenstände, die zwar verzichtbare, aber „mehrheitsfeste" Rechte der Sondereigentümer betreffen. Zu diesen „mehrheitsfesten" Rechten eines Sondereigentümers gehört die Zweckbestimmung seines Wohnungs- oder Teileigentums. Diese gibt vor, wie die Einheit zulässigerweise genutzt werden darf. Deshalb hat sie aus Sicht eines Sondereigentümers entscheidenden Einfluss auf den Wert seiner Einheit. Wird sie geändert oder eingeschränkt, betrifft dies die Nutzung des Sondereigentums in substanzieller Weise. Derartige Eingriffe bedürfen jedenfalls der Zustimmung des Eigentümers der Einheit, deren Zweckbestimmung geändert werden soll. Dies ergibt sich aus einer verfassungskonformen Auslegung der allgemeinen Öffnungsklausel. Beispielsweise berechtigt eine solche Klausel nicht dazu, eine als Gaststätte dienende Teileigentumseinheit ohne Zustimmung des Teileigentümers mit der Zweckbestimmung Büro zu versehen, weil die Mehrheit den Gaststättenbetrieb als störend empfindet.

Auch Vermietungsverbote greifen in die Zweckbestimmung des Wohnungseigentums ein. Ein generelles (also sowohl auf kurz- als auch auf langfristige Vermietungen bezogenes) Vermietungsverbot könnte nur dann rechtmäßig sein, wenn nicht nur die aktuell vermietenden, sondern alle Wohnungseigentümer zustimmen. Denn auch die Zweckbestimmung solcher Einheiten, die im Zeitpunkt der Beschlussfassung von den Eigentümern selbst genutzt werden, würde eingeschränkt, wenn eine Vermietung fortan unterbleiben müsste. Hier haben die Wohnungseigentümer zwar kein generelles, sondern ein spezielles Vermietungsverbot beschlossen, mit dem nur bestimmte, nämlich kurzzeitige Vermietungen untersagt werden. Aber auch ein solches Verbot kann nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer beschlossen werden. Denn es verengt die zuvor weite Zweckbestimmung der Einheiten und schränkt das in § 13 Abs. 1 WEG gewährleistete Recht jedes einzelnen Wohnungseigentümers, mit seinem Sondereigentum nach Belieben zu verfahren, dauerhaft in erheblicher Weise ein. Über die Nutzung des Sondereigentums darf aber soweit nichts anderes vereinbart ist – der Sondereigentümer frei entscheiden, und er darf sich darauf verlassen, dass seine auf das Sondereigentum bezogenen Nutzungsbefugnisse nicht ohne sein Zutun eingeschränkt werden. Infolgedessen dürfen auch Vermietungen von besonders kurzer Dauer oder bestimmter Art – wie etwa die Vermietung als Ferien- oder Werkswohnung – nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer verboten werden; andernfalls entstünden im Übrigen erhebliche Abgrenzungs- und Wertungsprobleme.

Die Eigentumsrechte der übrigen Wohnungseigentümer werden hierdurch nicht außer Acht gelassen. Allerdings erfordern Regelungen, die – wie das Verbot der kurzzeitigen Vermietung in einer reinen Wohnungseigentumsanlage – die Zweckbestimmung aller Einheiten betreffen, eine allstimmige Beschlussfassung; diese zu erreichen, kann sich gerade in größeren Anlagen als schwierig erweisen. Den übrigen Wohnungseigentümern stehen aber gegebenenfalls andere Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung. Was die Kurzzeitvermietung angeht, müssen damit einhergehende Störungen wie Überbelegung, fortwährende Verstöße gegen die Hausordnung oder Lärmbelästigungen durch Feriengäste nicht hingenommen werden; sie können einen Unterlassungsanspruch gemäß § 15 Abs. 3 WEG begründen. Solche Störungen machen die Beklagten allerdings – soweit ersichtlich – nicht geltend. Der von ihnen vornehmlich angeführte Umstand, dass die kurzzeitigen Mieter den anderen Bewohnern unbekannt sind, stellt für sich genommen keine Störung dar (Urteil des BGH vom 12. April 2019, Az.: V ZR 112/18).


Foto: © Udo Koranzki

Gerwing, Stephan | © manjit jariIhr Ansprechpartner
RA Stephan Gerwing

Justiziar
Telefon: 069 97065-178
stephan.gerwing@vdwsuedwest.de