Nachdem im Jahr 2017 das Forum „Wohnungswirtschaft aktuell“ in Königstein im Taunus in der Villa Rothschild/Kempinski einen neuen würdigen Veranstaltungsort gefunden hatte, trafen sich die Akteure der Wohnungswirtschaft diesmal direkt im weiter oben gelegenen Grand Kempinski Hotel in Falkenstein mit weiträumigem Blick auf die Frankfurter Skyline, um sich über die aktuellen Themen der Wohnungswirtschaft zu informieren und intensiv miteinander zu diskutieren.
Norman Diehl begrüßte die Teilnehmer als Vorstandsmitglied der Südwestdeutschen Fachakademie der Immobilienwirtschaft e. V. (SFA). Er dankte seinem ausgeschiedenen Vorstandskollegen Stefan Storz für die maßgebliche Vorbereitungsarbeit im Hinblick auf die diesjährige Veranstaltung. Dieser wechselt von Wiesbaden nach Karlsruhe, zur dortigen VOLKSWOHNUNG GmbH. Seine Nachfolge im SFA-Vorstand hat Thomas Keller bereits angetreten. Zudem begrüßte er ganz besonders den ehemaligen Staatssekretär Paul Leo Giani in seiner Eigenschaft als Beiratsvorsitzender der SFA und vergaß dabei nicht zu erwähnen, dass dieser „Vor-Vor-Vorgänger“ des jetzigen Verbandsdirektors des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e. V., Dr. Axel Tausendpfund, war.
Sybille Wegerich, kaufmännischer Vorstand der bauverein AG, referierte über das Darmstädter Konversionsprojekt Lincoln-Siedlung
Mit der Feststellung „Wir dachten eigentlich wir schrumpfen, stattdessen explodieren wir“ definierte Wegerich gleich zu Beginn den Wert alter Prognosen. Darmstadt könne mittels Nachverdichtung nicht mehr viel wachsen. Die einzige Chance für einen „großen Wurf“ sieht Wegerich in der Entwicklung der 314 Hektar ehemals militärisch genutzter Flächen. „Für jeden soll etwas dabei sein“, skizziert sie die Vielfalt der Anforderung an die Gesamtgestaltung des 25 Hektar großen Teilbereichs der Lincoln-Siedlung und stellt fest: „Egal wie man es dreht und wendet, Bauen ist nicht einfach!“
Das Mobilitätskonzept habe die bauverein AG anderthalb Jahre lang beschäftigt. „Wenn Sie Verkehr vermeiden wollen, vermeiden Sie in erster Linie Autoverkehr.“ Die Frage nach dem „Wie bekomme ich das hin?“ beantwortet Wegerich mit Tempo-30-Zonen und einer Taktung, die ein Durchkommen für Fahrräder bevorzugt. Die vielen offenen Fragen im Hinblick auf eine ausreichende Stellplatzversorgung beantwortet Sie mit „Also es wird spaßig, aber ich glaube dennoch, dass wir das hinbekommen; vor allem dass das Ganze in zehn bis 15 Jahren tatsächlich gut funktioniert, weil ich auch glaube, dass sich unsere Mobilität ändern wird. Irgendwann muss man anfangen für eine Zukunft zu bauen, auch wenn es am Anfang knirscht.“
Johanna Coleman, Geschäftsführerin der BASF Wohnen + Bauen GmbH, beleuchtete die energetische Sanierung der denkmalgeschützten Hohenzollern-Höfe in Ludwigshafen
„Wir hatten zuvor ein Quartier mit sehr hohen Leerständen“, beschrieb Coleman die Ausgangssituation der im Jahr 1923 errichteten Wohnungsbestände. „Es wurden im Grunde genommen alle Grundrisse umgekrempelt. Das Wohnen fand in der Vergangenheit eher zur Straße und heute eher zu den Höfen hin statt.“ Auch sie hätten versucht die verschiedenen Zielgruppen alle in einem Quartier unterzubringen. Nach außen zu den Höfen hin habe man in sehr enger Abstimmung mit dem Denkmalschutz eine Außendämmung angebracht und an der Schmuckfassade eine Innendämmung realisiert. Neben einer Lüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung habe man zur Straße hin dreifachverglaste Fenster eingesetzt und somit insgesamt das Energieeinsparziel gut erfüllen können.
„Ein Gebäude war im Krieg von einer Fliegerbombe getroffen worden und konnte deshalb nicht erhalten werden“, skizzierte Coleman die besondere Herausforderung, auch einen Neubau in das alte Quartier integrieren zu wollen. „Die Hohenzollern-Höfe sind im Stadtteil Friesenheim ein Vorzeigeprojekt und haben außen herum weitere Sanierungen bewirkt. So wie man eigentlich am Anfang diesem Projekt die Chance nicht so zusprechen wollte, sieht man jetzt, dass das auf die ganze Umgebung abgefärbt hat. Also es braucht auch immer einen, der es initiiert.“
Dr. Thomas Hain, Leitender Geschäftsführer der Unternehmensgruppe Nassauische Heimstätte/Wohnstadt, stellte der Zuhörerschaft ein Konzept zur Umsetzung der Digitalisierung vor
„Wir verstehen zweierlei Dinge unter Digitalisierung in unserer Unternehmensgruppe. Zum einen die Abbildung von Geschäftsprozessen, die dann zum Teil automatisiert werden sollen, aber eben auch die Transformation zu Geschäftsmodellen, die neu und für Wohnungsunternehmen durchaus fremd sind“, so Dr. Hain. Wichtiger sei dabei aber die Frage nach dem Warum. „Es ist nicht nur die neue Produktentwicklung, die uns vor Herausforderungen stellt. Wir leben in einer Arbeitswelt, die sich extrem schnell verändert und diese Veränderung ist ein Teil der Digitalisierung“, führte er weiter aus.
„Es geht darum herauszufinden, wenn diese Trends kommen, wie wirksam treffen sie unser Wohnungsunternehmen.“ Man müsse Chancen erkennen und Risiken minimieren. „Wir sind gut beraten, uns mit dem Thema Digitalisierung auseinanderzusetzen, damit wir den Gefahren begegnen können und die Chancen besser nutzen“, empfahl Dr. Hain. Auf zwei Faktoren wies er dabei besonders hin: Auf die drohende Halbierung der Arbeitskräfte aufgrund des Erreichens der Rente der geburtenstärksten Jahrgänge innerhalb der nächsten fünf bis 15 Jahre und die daraus resultierende Notwendigkeit der Automatisierung, wie auch auf den Nutzen von großen Wissensdatensammlungen als eine Form der Schwarmintelligenz.
„Was schon seit Jahren bekannt ist, das ist das Smart Home. Das ist ein Trend, der sicherlich Fahrt aufnehmen wird.“ Dr. Hain schloss seinen Vortrag mit den Worten „Wir sind auf einem guten Weg, wir haben gute Chancen innerhalb der Wohnungswirtschaft das Thema Digitalisierung zu unseren Gunsten auszuarbeiten und auch neue Geschäftsmodelle zu kreieren. Das große Plus unserer Branche ist, dass wir miteinander arbeiten und nicht gegeneinander und wir durchaus die Gelegenheit haben, voneinander zu profitieren.“
Podiumsdiskussion „Wohnungswirtschaft PUR in 45 Minuten“
Auch in der von Robin Göckes, Redakteur der Immobilien Zeitung, moderierten Diskussionsrunde stellte die Mobilität ein die Wohnungswirtschaft bewegendes Thema dar. „Wenn ich Verkehrsentwicklung nehme, dann sind die Zeiträume noch länger. Also bis ich eine vernünftige Verkehrsentwicklung hinbekomme, da vergehen Jahrzehnte.“ Dagegen sei der Wohnungsbau ja verhältnismäßig flott, so die Darmstädter Sichtweise von Sybille Wegerich. Johanna Coleman wies darauf hin, dass sich die Mobilität radikal verändern werde und man noch nicht wisse, wo es hin ginge.
Uwe Flotho, Vorstand der Vereinigte Wohnstätten 1889 eG, Kassel, sah sich selbst als „Quotenmann“ für Genossenschaften und als Vertreter für Nordhessen in dieser Runde an: „Wenn man mal Hessen betrachtet – und ich rede über Genossenschaften –, in vielen kleineren Gemeinden sind die Mieten moderat und dies selbst noch in Mittelzentren.“ In Kassel sei man froh, dass man wieder ein Mietniveau erreicht habe, das Investitionen erst wieder möglich mache.
Auf mögliche unerwünschte negative Nebeneffekte bei „künstlich“ herbeigeführten Mietreduktionen in Ballungsräumen wies Dr. Hain hin: „Wenn man Mietpreise senkt, dann wird ein attraktiver Standort noch attraktiver. Die Frage dabei ist halt, wie subventioniere ich!“ Der Politik gibt er in dieser Hinsicht mit auf den Weg, dass eine möglichst verstetigte Wohnungspolitik die richtige sei und nicht ein Stop-and-go.
„Die Rahmenbedingungen werden in fünf bis acht Jahren bei weitem nicht mehr so positiv sein, die Zinsen werden gestiegen sein, die Baukosten werden nicht nach unten gehen, es wird nicht weniger Regeln geben, es wird nicht einfacher werden.“ Das Bauen würde wieder so unattraktiv werden, dass man sich wieder auf die Weiterentwicklung des eigenen Bestandes konzentrieren werde, so Wegerich. Coleman sieht einen deutschlandweiten Trend hin zu kleineren Wohnungen, und damit die Chance Mietraum auch nach Sanierungen insbesondere in den Großstädten bezahlbar zu halten.
Der Engpass Grundstück führe dazu, dass sich Preise nicht mehr in einem vernünftigen Rahmen bewegen, stellte Wegerich fest. Diejenigen, die den Markt verderben, sind diejenigen, die über die Grundstücke verfügen. So sieht sie auch in der Konversion keine Chance für wirklich kostengünstiges Wohnen, da die Anspruchsstellungen zu vielfältig seien. „Sämtliche Alternativen, die da sagen, nur noch Erbbaugrundstücke halte ich für genauso wenig durchdacht, wie die überteuerten Grundstückspreise“, so das Resümee Wegerichs.
„Das Wohnen im Hochhaus wird eine Renaissance bekommen, das Wohnen mit Laubengängen auch, weil das die Grundrisse sind, wo ich einigermaßen kosteneffizient erschließen kann“, so umreißt Wegerich die besten Möglichkeiten barrierefrei neu bauen zu können, ohne dass Aufzüge die Nebenkosten entscheidend in die Höhe treiben. Auch die 70er-Jahre-Hochhäuser der Ludwigshafener Pfingstweide sieht Coleman auf dem richtigen Weg: „Wir haben für dieses Quartier ein neues Konzept entwickelt. Wir haben einen großen Flächenrückbau in der Mitte des Hochhauskomplexes angedacht und somit eine neue Mitte geschaffen. „Es braucht dann immer die Menschen, die das mit treiben“, zeigte Coleman einen entscheidenden Punkt auf. Mit Hilfe des Nachbarschaftsvereins habe man zusammen Ideen entwickelt, wie auch professionelle Partner mit ins Boot genommen.
„Genossenschaften sind natürlich per se, weil sie mitgliederorganisiert sind, ein wenig anders aufgestellt“, so Flotho. Dort hätte das aufeinander achtgeben noch einen ganz anderen Stellenwert. Dabei hob er die Gründung des Kasseler Nachbarschaftshilfevereins „Hand in Hand e. V.“ hervor, mittels dessen es seit 15 Jahren gelingt, über bürgerschaftliches Engagement Unterstützungsleistungen bereitzustellen.
Fachreferate zu Finanzierung, Recht und Betriebswirtschaft bestimmten den zweiten Tag
Den Anfang machte Markus Franz, Vorstandsmitglied der Taunus Sparkasse. Unter der Überschrift „Finanzierungsumfeld 2018“ ging er detailliert auf das wirtschaftliche Umfeld und die Zinsentwicklung ein.
Stephan Gerwing, Justiziar des Verbandes der Südwestdeutschen Wohnungswirtschaft e. V., beleuchtete die „Entwicklungen und Trends im Miet- und Wohnungsrecht“ indem er sich die Inhalte des Koalitionsvertrages der Bundesregierung vornahm. So griff er aber auch aktuelle Themen auf Landesebene auf, warb für die - der bevorstehenden Landtagswahl geschuldeten - vier WohWi-Talks, wie er auch über den Stand der Zusammenarbeit innerhalb der „Allianz für Wohnen in Hessen“ zu berichten wusste.
„Aktuelles aus dem öffentlichen Wirtschaftsrecht“ war dann das Thema von Alik Dörn, Friedrich Graf von Westphalen & Partner mbB, gefolgt vom „Aktuellen Steuerrecht im Immobilienbereich“, welches Werner Müller von der RGT Treuhand GmbH fachgerecht darlegte.
Videomitschnitte des ersten Veranstaltungstages finden Sie im „YouTube-Channel“ der Südwestdeutschen Fachakademie.
YouTube-Kanal der SFA
Fotos: © Udo Koranzki